Seit rund drei Tagen geht der Fall Gauck mal wieder durch die Presse (Stellvertretend für viele: Klick)
Kurze Zusammenfassung: Die Bundestagsabgeordnete haben bisher in unregelmäßigen Abständen ihre Diäten erhöht. Bei jeder Erhöhung gab es die Diskussion ob die Erhöhung 1. angemessen ist und 2. ob es wirklich sinnvoll ist, dass die sich selbst die Diäten erhöhen können.
Nun hat der Bundestag beschlossen, dass die Gehälter an denen von Bundesrichtern (R6) angeglichen werden und zukünftig an die Lohnentwicklung in Deutschland automatisch angepasst (steigen die Bruttolöhne in Deutschland, steigt auch die Diät um den gleichen Prozentsatz).Letzteres ist ein Problem. Gauck hat bisher dem Gesetz seine Unterschrift nicht gegeben und prüft noch.
Dazu braucht man ein bisschen Hintergrundwissen. Im Jahr 1975 hat das BVerfG ein Urteil zu den Abgeordnetendiäten erlassen. Damals waren die Gehälter ebenfalls an den Gehältern von Bundesrichtern angepasst. Das BVerfG entschied jedoch, dass die Gehälter nicht automatisch steigen dürften, sondern die Abgeordneten immer selbst entscheiden müssen, wie, wann und ob ihre Diäten steigen.
In den letzten 40 Jahren haben die Abgeordneten sich aber weniger Erhöhungen gönnt, als die sonstigen Löhne im Land gestiegen sind. Aus diesem Grund hinken sie heute rund 980 Euro hinter den Bundesrichtern hinterher. Das heißt die erneute Anpassung führt erst einmal zu einer Anhebung der Diäten wieder auf das Niveau der Bundesrichtern.
Das zweite Problem, die nicht erlaubte automatische Anpassung, will der Bundestag damit umgehen, dass er am Anfang der Bundestagsperiode immer Einzeln beschließt, dass die Diäten in den kommenden 4 Jahren genauso steigen, wie die Lohnentwicklung im Land. Rechtlich ist umstritten, ob dies den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird oder nicht. Aber wieder zurück in die Gegenwart:
Wie zu erwartet hat sich der gesunde Volkszorn vom Stammtisch in den Kommentaren eingefunden. Die Erkenntnis aus den Kommentaren ist. 1. Abgeordnete Arbeiten eh nicht, 2. Die Kommentatoren kriegen selbst mit Hartz IV weniger, 3. Die Welt ist gemein zu den Kommentatoren.
Sehr kurios ist jedoch folgendes: Die Leute begrüßen, dass der Bundespräsident inhaltlich die Gesetze auf die Verfassungsmäßigkeit prüfen kann. Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist im Jurastudium Inhalt des 1. Semesters.
Dabei springt jederzeit folgendes Problem ins Auge: Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Man sollte massive Bauchschmerzen bekommen, wenn der Bundespräsident (der nur sehr schwach demokratisch legitimiert gewählt wird, weil er über 8 Ecken gewählt wird) tatsächlich ein Gesetz stoppen kann, was vom gesamten Bundestag, welches in freien Wahlen gewählt wurde, teilweise soar direkt vom Volk, beschlossen wurde. Auch der Gesetzeswortlaut in Art. 82 I GG (Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt) ist recht eindeutig. Der Bundespräsident hat zu unterschreiben, wenn die Vorschriften des Grundgesetzes eingehalten wurden.
Von daher hat der Bundespräsident ein inhaltliches (materielles) Prüfungsrecht nur sehr eingeschränkt. Der Bundespräsident darf die formelle Verfassungsmäßigkeit prüfen, das bedeutet, ob das Verfahren eingehalten wurde. Das heißt vor allem, dass die Mehrheit vorliegt, der Bundesrat richtig beteiligt wurde und die Zuständigkeit gegeben ist. Inhaltlich hat er nur dahingehend ein Prüfungsrecht, dass er kein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz unterschreiben muss. Das ist hier aber definitiv nicht der Fall. Es wird lebhaft diskutiert, ob es verfassungswidrig ist. Alleine diese Diskussion zeigt schon, dass es nicht „offensichtlich verfassungswidrig“ ist.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Kommentatoren tatsächlich einen Bundespräsident haben möchten, der nach Gutdünken entscheidet ob ihm die Gesetze gefallen oder nicht… Dafür haben wir schon 16 ältere Damen und Herren beim BVerfG und bereits die Macht die beim BVerfG auf wenige (und schwach demokratisch legitimierte) Personen aufgeteilt ist, ist problematisch.