Die Juristenausbildung – Teil 2

Im ersten Teil ging es primär darum, was euch im Studium erwartet. Nun kann ich auf den Punkt zurückkommen, warum die Meinung über das Studium so unterschiedlich ausfällt. Die Frage ist nämlich: Warum studiert jemand Jura? Wer nur studiert um später als Jurist zu arbeiten, der wird sich mit dem wissenschaftlichen Teil sehr schwer tun. Die eigene Meinung und was richtig oder falsch ist steht in der Praxis nämlich nicht im Vordergrund, es geht mehr darum, dass man das Gesetz richtig anwenden kann und in der Regel wird eh dem BGH gefolgt. Das Studium, und die Beschäftigung mit der Wissenschaft, ist für diese Personen nur der Weg zum Ziel.

Wer sich aber auch für die Wissenschaft hinter der Rechtsanwendung begeistern kann, der wird nicht nur viel positiver durch das Studium gehen, sondern es auch deutlich einfacher haben. Denn die wirklich guten Praktiker die ich bisher kennenlernte, haben sich auch immer für die Wissenschaft hinter der reinen Rechtsanwendung interessiert. Oft wird nämlich die Rolle des Juristen falsch verstanden. Denn es gibt zwei große Irrtümer, denen auch häufig Juristen unterliegen. Sie lauten: 1. Juristen machen keine Gesetze sondern wenden sie nur an und 2. Juristen machen Gesetze und wenden sie nicht nur an. Im ersten Moment klingt es so, als könnte gar nicht beides falsch sein. Aber der Jurist sitzt tatsächlichen zwischen den beiden Positionen. Gesetze werden natürlich vom Bundestag „verabschiedet“ und auch die Richtung wird durch die Politik bestimmt. Die Umsetzung in Gesetzesform wird aber von Juristen gemacht. Nicht nur in den Ministerien, die die Gesetzestexte entwerfen, sondern auch später die Anwälte, Richter und Staatsanwälte, die die Norm in das bisherige System eingliedern müssen und tagtäglich das Recht anzuwenden haben.

So nun aber dann einige Sätze zum konkreten Studium: Hat man viel zu tun? Nicht zwangsweise… Die ersten 6 Semester sind recht gechillt. Anders als die Naturwissenschaftler hockt man net von Morgens bis Abends in der Uni oder über den Büchern. Auf Vorlesungen kann man als Jurastudent völlig verzichten, wenn man lieber aus Büchern lernt (muss man dann aber auch machen!). Das meiste muss man sich nämlich eh durch Bücher beibringen, der Stoff aus der Vorlesung reicht nicht aus. Anders sieht es in den vorlesungsfreien Zeiten aus. Während hier die meisten Studenten frei haben, beginnt für Juristen tatsächlich die harte Arbeit. Neben Praktika (3 Monate) stehen Hausarbeiten an. Eine Hausarbeit bedeutet tatsächlich, dass man 3-4 Wochen 8 Stunden+ in der Bibliothek sitzt. Je nach Universität ist die Anzahl der Hausarbeiten unterschiedlich. Ich hatte in Hamburg recht viele (3 kleine und 3 große), so dass in nahezu allen „Semesterferien“ 1  Monat für eine Hausarbeit draufgegangen ist.

Die wichtigste Eigenschaft ist und bleibt aber, dass man sich selbst zum Lernen motivieren kann und das am besten ab dem 1. Semester. Denn den Stoff den man im 1. Semester lernt, wird man nie mehr „nochmal“ lernen oder „vertiefen“. Im 1. Semester lernt man den Stoff auf dem Niveau, wie er am Ende im Staatsexamen erwartet wird. Von daher sollte man hier gleich komplett reinhauen. Zum Ende wird der Umfang aber schon recht heftig. Aber auch hier ist der „Umfang“ des Stoffes  das Problem und nicht der Schwierigkeitsgrad an sich.

Was aber wichtig ist: Man muss das Fach „leben“. Man muss sich in seinem Alltag immer juristischen Fragen stellen. Das Studium verändert, wie bereits in einem Blog vor paar Wochen geschrieben, den Blick auf die Welt. Man muss  einfach Spaß daran haben, wenn einem aus Versehen ein Brötchen mehr beim Bäcker eingepackt wird, darüber zu diskutieren, ob und wie man Eigentum an diesem Brötchen erlangen kann. Wenn man diesen „Status“ erreicht hat, wird man im Studium keine großen Probleme haben und auch später ein guter Jurist werden.

Dann noch einige Aussagen zum Arbeitsmarkt: Es gibt viele Juristen ja, der Bedarf an guten Juristen ist aber hoch. Ist man erfolgreich im Studium, dann öffnen sich viele Wege. Dabei geht es aber nicht nur um juristische Fähigkeiten. Mit allgemeiner Intelligenz und einer gewissen geistigen Kapazität hat man einen massiven Vorteil im Studium. Wer allgemein etwas langsamer im Kopf ist oder lediglich komische Inselbegabungen besitzt, kommt bei Jura nicht weit. Der gute Jurist ist ein Allrounder der alles ein bisschen kann. Daher gibt es auch keine „Geeks“ wie in Mathe oder Physik, sondern tatsächlich eher die Allrounder. Ein Jurist muss sich für die Welt, die Politik, die Gesellschaft und die Dokumentationen über Flugzeugträger auf N24 interessieren. Das ist meiner Meinung nach auch das wirklich spannende am Recht: Man lernt jeden Tag etwas neues aus komplett anderen Wissenschaften. Ein Anwalt der viele Verkehrsunfälle zu bearbeiten hat, der wird am Ende soviel Gutachten über Autos gelesen haben, dass er deutlich mehr über die Funktionsweise weiß, als der Durchschnittsbürger. Auch beim Thema Medizin erfährt man dann zum Beispiel, was eine Hirnkammerluftfüllung ist oder wie genau DNA-Spuren abgeglichen werden. Und spätestens wenn sich zwei Hasenzüchter über das richtige Paarungsverhalten von Hasen vor Gericht streiten, lernt man als Jurist wirklich was fürs Leben.

Aber das Studium bringt einem auch ganz praktisch etwas. Als Jurist wird einem beigebracht ein scharfes Schwert zu schwingen. Fundiertes juristisches Wissen nimmt einem vor allem die „Angst vor der Welt“. Der Staat und der Alltag verlieren deutlich an Bedrohlichkeit, wenn man die Ketten kennt, in denen sie liegen. Auch muss man ganz klar sagen, dass man im Alltag gewisse Vorteile hat. Obwohl alle Menschen in unserem Alltag „mitspielen“, kennen doch die wenigsten die Spielregeln. Jeder kann sich vorstellen: Wenn 4 Leute Mensch-Ärger-Dich-Nicht spielen und nur einer davon kennt das Regelwerk, dieser gewisse Vorteile hat.

Beispielsweise las ich erst kürzlich auf einem anderen Blog, wie erschrocken festgestellt wurde, dass „heutzutage wohl schon ein Handschlag zum Vertragsschluss reicht“… Ich weiß ja nicht, was man vorher meinte was genau man z.B. beim Bäcker beim Brötchenkauf macht, aber natürlich gibt es schon immer mündliche Verträge… Der mündliche Vertrag ist sogar der absolute Standardfall. Im Endeffekt ist es daher eh begrüßenswert, wenn die juristische Allgemeinbildung ausgebaut wird. Generell könnte man vielen Stammtischparolen (z.B. „Abschreckung wirkt“ oder „Eltern haften für ihre Kinder) damit den Boden entziehen.

Abschließend lässt sich daher sagen: Ich glaube es gibt kaum einen Studiengang, der einem so dabei hilft die Welt zu verstehen, wie das Jurastudium. Und dabei ist es ganz egal für was man sich interessiert. Man kann sich mit Kant und Hegel beschäftigen und der Frage nachgehen warum wir im Strafrecht strafen. Man kann seine Erfüllung aber auch darin finden, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man gesellschaftsrechtlich die Wirtschaftsordnung in Zügeln halten kann oder, wenn man denn ne ganz kranke Sau ist, sich über das passende Verfahren zur Festsetzung von Bebauungsplänen Gedanken machen. Aber über eines muss man sich immer Bewusst sein: Man beschäftigt sich mit einem von Menschen geschaffenem System. Nichts in diesem System ist an sich „naturgegeben“, lediglich das systematische Zusammenspiel aller Normen folgt einer gewissen Logik. Für genau diese Logik muss man eine Liebe entwickeln.

4 Gedanken zu „Die Juristenausbildung – Teil 2“

  1. kann ich so bestätigen von dem was ich von allen gehört habe die dieses fach studieren (studiere wing btw:D).

    bwl und jura auch die einzigen fächer wo man das ganze semester über saufen&feiern kann und sich nur wenns drauf ankommt mit der materie beschäftigen muss. aber ist wohl aufgrund der masse an studenten auch nicht anders möglich.

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  2. Was für ein herzzerreißendes Plädoyer für deine Leidenschaft!
    Obwohl vieles von dem was du schreibst, so wohl auch für einige andere Studiengänge gilt, kann man jetzt besser verstehen wie der Alltag eigentlich aussieht und auf was es ankommt.
    Dankeschön für diesen Beitrag.

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  3. Das du ein für dich richtiges Fach ausgesucht hast, finde ich toll. Das ist nicht mehr so alltäglich. Gerade BWL studiert man unter anderem, weil einem nichts besseres einfällt. Oder Medien um „irgendwas mit Medien“ zu machen. (oft werden die BWL und „irgendwas mit Medien“ auch kombiniert. DAS ist dann der Volltreffer).

    Nur eines muss ich anmerken: als Juris lernst du nicht die Welt zu verstehen, sondern das System, in dem das Recht geschrieben und angewendet wird. Die Welt zu verstehen können nicht einmal Ethnologen, da sie sich immer wieder mit unterschiedlichen Gesellschaften aus unterschiedlichen Teilen der Welt auseinandersetzten. Das Gesetzt ist nicht überall auf der Welt gleich, aber du kannst wo anders mit etwas Verständnis des Systems „Gesetz und Recht“ UND mit Wissen der kulturellen Besonderheiten und Eigenarten das Gesetz anwenden. Es braucht sozusagen beides, da jede Kultur eine andere Interpretation von Kommunikation (und daher auch dem geschriebenen/mündlichen Gesetz) und einen anderen Habitus hat.(das war meine unbedeutende Bemerkung Richtung Kulturwissenschaften)

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