Der Fall Uli H.

Vorweg: Ein frohes neues Jahr!

In den letzten Monaten kam ich zu nicht zu viel, nun ist aber wieder etwas mehr Luft da… Von daher werde ich vielleicht tatsächlich wieder regelmäßiger hier bloggen (müsste dann aber n Redesign geben finde ich!).

Als erstes befassen wir uns ganz aktuell mit dem Fall Uli H. Wenn man bei einer Materie drin steckt, fällt einem ja meistens nur auf, wie viel Humbug so geschrieben wird. Dabei nicht nur in der Presse, sondern vor allem auch in den Kommentaren. „Alltagstheorien“ werden schnell als tatsächliche Rechtsargumente angebracht. Dabei ist bei Hoeneß vieles wirklich abenteuerlich. Ich probier mal die, meiner Meinung nach, wichtigsten Sachen klarzustellen.

Hoeneß muss gar nicht ins Gefängnis, sondern darf direkt in den „offenen Vollzug“!

Was häufig mit „offenen Vollzug“ gemeint ist, ist eigentlich der „Freigang“. Dieser ist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BayStVollzG geregelt. Der Gefangene darf unter bestimmten Umständen einer Arbeit außerhalb der Haftanstalt ohne Aufsicht nachgehen. Er darf morgens somit die Haftanstalt verlassen und muss direkt nach Arbeitsende wieder zurück in die JVA. Ein Fußballspiel gilt nicht als Arbeit, somit dürfte Uli, soweit er denn tatsächlich Freigang enthält, zwar für einige Stunden tagsüber die Haftanstalt verlassen, jedoch darf er keine Freizeit draußen verbringen. Auch ist davon auszugehen, dass ein Freigang sicherlich nicht in den ersten Monaten gewährt wird, vor allem Bayern handhabt das sehr streng.

Hoeneß verbringt Weihnachten eh wieder in Freiheit!

Er wurde zu 3 1/2 Jahren verurteilt. Grundsätzlich wird eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach 2/3 der Zeit gemäß § 57 Abs. 1 StGB geprüft. In einigen Ausnahmefällen kann die Aussetzung bereits nach der Hälfte der Haftzeit erfolgen. Tatsächlich könnte Hoeneß solch eine Ausnahme sein und könnte daher nach 1 Jahr und 9 Monaten auf Bewährung entlassen werden. Weihnachten 2014 wird damit eng… Selbst Weihnachten 2015 wird sehr knapp. Weihnachten 2014 wird er somit grundsätzlich noch in Haft sitzen.

Es gab einen „Deal“ zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft!

Grundsätzlich sind Absprachen im Strafprozess erlaubt, jedoch nur unter sehr strenger Dokumentierung des ganzen Vorganges. In der Praxis kommt es trotzdem vor, dass es gelegentlich Deals gibt. Ob es solch eine Absprache gab? Man weiß es nicht. Dagegen spricht, dass der Anwalt von Hoeneß direkt die Revision angekündigt hat. Auch, dass die Staatsanwaltschaft von einem „Besonders schweren Fall“ ausging, das Gericht dies aber ablehnte, spricht gegen einen Deal. Insgesamt halte ich es eher für unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft legt keine Revision ein, damit andere Straftaten vertuscht werden!

Diese Behauptung liest man regelmäßig in den Kommentaren. Sie zeigt jedoch nur, dass der Kommentator keinerlei Ahnung von dem hat, über das er gerade spricht. Der erste Punkt ist: Revision bedeutet, dass lediglich auf Rechtsfehler geprüft wird. Der Sachverhalt, den das erkennende Gericht festgestellt hat, nimmt das Revisionsgericht als gegeben hin. In einer Revision wird nur geprüft, ob das Recht tatsächlich richtig angewandt wurde.

Beispiel: Der Täter behauptet er habe das Opfer nur mit den Fäusten verprügelt, das Gericht verurteilt ihn jedoch wegen Körperverletzung mittels einer Waffe, weil es davon ausging, dass er mit einem Ring zuschlug. In der Revision prüft das Gericht nun nicht ob der Täter tatsächlich einen Ring beim schlagen nutzte, denn dies ist eine Tatsachenfrage. Es wird lediglich die Rechtsfrage geprüft, ob ein Ring eine Waffe ist oder nicht. Kommt das Revisionsgericht zur Entscheidung, dass ein Ring eine Waffe ist, dann hat die Revision keinen Erfolg. Selbst dann nicht, wenn der Täter beweisen könnte, dass er keinen Ring nutzte (gegebenenfalls kann es dann ein Wiederaufnahmeverfahren geben, das ist aber unabhängig von der Revision).

Der zweite Punkt: Die Anklage lautet nur auf Steuerhinterziehung in 7 Fällen. Weitere Straftaten, zum Beispiel eine Untreue oder die Frage woher die Gelder kamen, sind gar nicht Gegenstand der Anklage. Daher tritt auch kein Strafklageverbrauch ein. Sollte sich herausstellen, dass weitere Straftaten vorliegen, kann die Staatsanwaltschaft jederzeit erneut Anklage erheben. Sie braucht somit nicht die Revision, damit andere Straftaten aufgedeckt oder abgeurteilt werden könnten.

Die Staatsanwaltschaft ist Weisungsgebunden, deswegen war es klar, dass keine Revision erfolgte!

Ebenfalls häufig in den Kommentaren kommt der Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden ist. Tatsächlich ist die Staatsanwaltschaft eine weisungsgebundene Behörde. So kann der Justizminister zum Beispiel jederzeit dafür sorgen, dass ein anderer Staatsanwalt die Bearbeitung übernimmt. Trotzdem ist natürlich auch die Behörde an Recht und Gesetz gebunden. Die Staatsanwaltschaft unterliegt dem sogenannten Legalitätsprinzip. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich JEDER Straftat nachgehen muss. Sie darf nicht selbst entscheiden, ob sie eine Straftat verfolgt oder nicht. Erfährt die Staatsanwaltschaft von einer Straftat, muss sie Ermittlungen einleiten. Diese kann sie dann zwar möglicherweise folgenlos einstellen, jedoch müssen zumindest Vorermittlungen getätigt werden. Sollte die Staatsanwaltschaft somit tatsächlich von weiteren Straftaten Kenntnis haben, so wäre eine Weisung diese nicht weiter zu verfolgen rechtswidrig. Lediglich bei Ermessensfragen, beispielsweise ob eine Revision sinnvoll ist oder nicht, könnte hier tatsächlich eine rechtmäßige Weisung erfolgen. Diese ist dann aber unproblematisch, da ja beide Entscheidungen rechtmäßig wären.

Hier kann man sich dann auch die Frage stellen, ob eine Revision überhaupt zu einer schwereren Strafe geführt hätte? Großer Streitpunkt war, ob die Selbstanzeige wirksam war oder nicht. Staatsanwaltschaft und Gericht hielten sie für nicht wirksam. Der BGH hätte nun entweder entscheiden können, dass sie unwirksam war (Bestätigung was Staatsanwaltschaft und Gericht aber eh schon so sahen) oder sie für wirksam zu erklären… Dann hätte es gar einen Freispruch für Hoeneß gegeben. Bei der Strafzumessung kann man sich natürlich streiten ob es nicht doch ein besonders schwerer Fall war… Das Gericht wertete aber die Selbstanzeige und das Geständnis strafmildernd und lehnte damit einen besonders schweren Fall ab (dann nur Strafrahmen Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, statt Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und bis zu 10 Jahren). Wichtig ist hier: Wenn das Gericht die Selbstanzeige dazu nutzt, um den besonders schweren Fall abzulehnen, dann wird dieser Milderungsgrund quasi „verbraucht“. Das heißt er darf bei der späteren Bestimmung der Strafe nicht mehr voll berücksichtigt werden.

Hätte das Gericht aber den besonders schweren Fall nicht abgelehnt, dann wären die Strafmilderungsgründe Selbstanzeige und Geständnis noch nicht verbraucht worden und man hätte sie voll berücksichtigen müssen. Man hätte dann zwar einen Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren, aber mit stärkeren Strafmilderungsgründe, als beim Strafrahmen von Geldstrafe oder bis zu 5 Jahren. Am Ende hätte es somit auch bei einem besonders schweren Fall vermutlich keine deutlich höhere Strafe gegeben. Am Ende ist es also eher eine Frage wie man zu der Strafe kommt und nicht unbedingt eine Frage der Strafhöhe.

Somit war die Revision für die Staatsanwaltschaft eigentlich gar kein sinnvoller Weg irgendwas zu erreichen. Man hätte sicher etwas höher Urteilen können, man konnte aber auch zu 3 1/2 Jahren verurteilen. Das ist aber alles noch in dem Rahmen, in dem das Gericht frei entscheiden darf. Die Staatsanwaltschaft hat vermutlich die Strafhöhe auch als noch angemessen angesehen und sah keine juristischen Fragen mehr ungeklärt.

 

8 Gedanken zu „Der Fall Uli H.“

  1. YAY! Ara ist wieder da.
    Hoffe mal das mit den regelmäßigeren Posts klappt.
    Motivier doch vielleicht auch Yrgav mal wieder aktiv (falls der Gute denn Zeit hat) zu werden (und macht eine Schildkröte mit Hut).

    Antworten
  2. Da ist er ja wieder und dabei hat es nicht einmal geschneit :D. Die Kontroverse mit einem juristischen Hintergrund zu betreachten, nimmt irgendwo Wind aus den Segeln und schafft so ein objektiveres und differenzierteres Bild zum Fall „Hoeneß“ auf. In dem Sinne ein sehr sehr geiler Artikel – super :D.

    Antworten
  3. Der beste Kommentar, den ich zu der Sache gelesen habe:
    „Steuerhinterziehung ist eines der schlimmsten Verbrechen, weil man nicht nur einer Person schadet, sondern einer ganzen Gesellschaft.“

    Antworten
  4. Wird ja auch oft gesagt dass er keine höhere strafe kriegen kann wenn er in revision geht. Aber wenn er dies tut ist es ja warscheinlich dass die Staatsanwaltschaft ebenfalls in revision geht. Dann kann die strafe wieder höher ausfallen oder?

    Antworten
    • Theoretische oder praktische Antwort?

      Theoretisch: Die StA darf ihre Entscheidung der Revision nicht davon abhängig machen, ob der Beschuldigte in Revision geht oder nicht.

      Praktisch: Die StA wird sich dadurch natürlich beeinflussen lassen. Daher ist es in der Praxis auch eher ungeschickt, wenn der Verteidiger direkt nach Urteil rumposaunt er wird in Revision gehen… Ruhig die komplette Frist abwarten und 1-2 Stunden vor Mitternacht den Antrag faxen

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu goyl Antworten abbrechen