Ich nehme meinen Bildungsauftrag ja hier auf dem Blog regelmäßig ernst. Daher will ich euch auch heute etwas schlauer machen und zwar auf einem Gebiet, welches, vor allem im Internet, jeden Interessiert und doch die ein oder andere Überraschung bereithält.
Heute sprechen wir über die sogenannte Kettengewährleistung.
Kurz vorab der oft übersehende Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie: Die Gewährleistung besteht bei einem Kaufvertrag zwischen den Vertragspartnern (Also Verkäufer und Käufer -> In der Regel Händler und Kunde. Aber NICHT zwischen Käufer und Hersteller, solange der Hersteller nicht gleichzeitig auch Verkäufer ist) und beträgt grundsätzlich 2 Jahre. Bei einem Verbrauchsgüterkauf (Verkäufer ist Unternehmer und Käufer ist Verbraucher) können diese zwei Jahre auch nicht zu Lasten des Verbrauchers abgeändert werden. Zusätzlich genießt der Verbraucher eine Beweislastumkehr innerhalb der ersten sechs Monate (In den ersten sechs Monaten muss daher der Verkäufer beweisen, dass kein Sachmangel vorlag. Nach den sechs Monaten, muss der Kunde dies beweisen). Auch greift die Gewährleistung nur, wenn der Mangel bereits bei Gefahrenübergang (In der Regel der Zeitpunkt in dem die Ware übergeben wird) vorlag.
Die Garantie ist eine freiwillige Eigenschaftszusicherung. Die Garantie wird in der Regel vom Hersteller gegeben, kann theoretisch aber auch vom Händler ausgesprochen werden. Eine Garantie liegt zum Beispiel vor, wenn ein Hersteller eine ganz bestimmte Eigenschaft zusichert und dafür eine Garantie übernimmt. Die Garantie ist freiwillig und es können frei die Bedingungen festgelegt werden (zum Beispiel nur eine einjährige Garantie oder eine Garantie erst nach Registrierung usw). Die Garantie besteht neben dem Gewährleistungsrecht, das heißt der Kunde hat gegebenenfalls das Wahlrecht, ob er Gewährleistung oder Garantie in Anspruch nimmt.
So nun aber zum eigentlichen Thema Kettengewährleistung:
Wer sich mit der Gewährleistung schon einmal auseinandergesetzt hat, der wird sich vielleicht genau diese Frage gestellt habe, die die Kettengewährleistung betrifft: Wenn aufgrund einer mangelhafte Sache, innerhalb der Gewährleistungsfrist, Nacherfüllt wird, beginnt dann die Gewährleistungsfrist vom neuem?
Beispiel 1: Käufer K kauft von Verkäufer V einen PC. Nach 12 Monaten stellt er fest, dass der RAM aufgrund eines Produktionsfehlers defekt ist. K verlangt Nachbesserung von V. V baut neuen RAM ein. Ein Ramriegel geht nun nach weiteren 13 Monaten, ebenfalls aufgrund eines Produktionsfehlers, erneut kaputt. Zusätzlich geht die Festplatte kaputt, die auch einen Produktionsfehler aufwies. Es sind 25 Monate seit dem Kaufvertrag vergangen, hat K noch Anspruch auf Nachbesserung?
Beispiel 2: Käufer K kauft von Verkäufer V einen PC. Nach 12 Monaten verursacht ein Produktionsfehler im Netzteil einen Kurzschluss und grillt den kompletten PC. K verlangt Nachlieferung von V. V liefert einen neuen baugleichen PC. Nach 13 Monaten geht die Festplatte kaputt. Es sind 25 Monate seit dem Kaufvertrag vergangen, hat K noch Anspruch auf Nachbesserung?
Spontan mag man hier bei allen drei Mängel sagen: „natürlich nicht! Die 24 Monate sind abgelaufen“.
So einfach machen es sich auch viele Händler, dabei ist das Feld etwas umstritten. Um es vorweg zu nehmen: Streng nach dem Gesetz besteht teilweise noch ein Gewährleistungsrecht. Dies sieht nicht nur ein großer Teil der Wissenschaft so, sondern wohl auch der BGH. Das Problem ist: Auf diesem Feld gibt es fast gar keine Rechtsprechung. Einmal traut sich kaum ein Kunde in so einer Situation sich auf die Gewährleistung zu berufen und zweitens wird sich in der Regel bei solchen Fällen vor Gericht verglichen und der Händler gibt nach.
Rein rechtlich sieht es nämlich so aus: Die 2 Jahre basieren auf der Verjährung des Anspruches auf Nachbesserung. Gemäß § 212 I Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung jedoch von neuem, wenn der Schuldner (in unserem Fall der Verkäufer) den Anspruch anerkennt. Das heißt wenn der Verkäufer sagt: „Ja hier liegt ein Gewährleistungsfall vor, du hast einen Anspruch auf die Übereignung einer mangelfreien Sache“, dann beginnt die Frist von 2 Jahren noch einmal von vorne. Eine Ausnahme soll nur zählen, wenn der Händler lediglich auf Kulanz eine Nacherfüllung vornimmt. Diese Anerkenntnis muss nicht wortwörtlich oder ausdrücklich abgegeben werden. Viel mehr kann dies auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen. Zum Beispiel wenn ein Händler anstandslos den Fehler beseitigt.
Unterschieden muss hier dann noch zwischen Nachbesserung und Nachlieferung werden. Grundsätzlich hat der Käufer nämlich das Recht zwischen beiden Arten der Nacherfüllungen zu wählen. Das heißt wenn ihr eine mangelhafte Sache erhaltet, könnt ihr entweder sagen, dass der Verkäufer sie reparieren oder eine neue Sache liefern soll (Ausnahme ist hier wenn eines unmöglich ist oder der Aufwand unverhältnismäßig wäre. Bei einem defekten Schlüssel eines Neuwagens kann somit nur Nachbesserung verlangt werden usw).
Bei der Nachbesserung (Beispiel 1) beginnt die Verjährung nur für konkret dieses Problem erneut. Das bedeutet, dass in dem Beispiel K tatsächlich noch einmal eine Beseitigung des Mangels am RAM verlangen darf. Der Anspruch auf Nacherfüllung bei der Festplatte ist dagegen verjährt. Die Festplatte stand nicht im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Mangel und somit hat die Verjährung nicht erneut begonnen.
Bei der Nachlieferung (Beispiel 2) beginnt die Verjährung für das gesamte Produkt und für alle Mängel von neuem. Dies geschieht, da der Käufer eine komplett neue Sache erhält, welches noch ganz andere Probleme haben kann, als die ursprüngliche Sache. Aus diesem Grund kann er auch eine Mangelbeseitigung bei der defekten Festplatte verlangen. Dafür ist es auch total unproblematisch, dass ursprünglich das Netzteil einen Fehler hatte, denn vielleicht hätte die ursprüngliche Festplatte den Defekt gar nicht gehabt.
Somit halten wir fest: Es gibt tatsächlich eine Kettengewährleistung, auch wenn sie vielen Händlern und Kunden wohl unbekannt ist. Auch wenn es fast keine Urteile zu diesen Fällen gibt, scheint der Fall recht klar zu sein. Der BGH hat signalisiert, dass er dieser Ansicht folgt und mit dem Palandt und dem Münchener Kommentar, sind auch die praxisrelevantesten Kommentare auf der Seite der Kettengewährleistung. Ob es dann wirklich etwas in der Praxis bringt ist natürlich fraglich, denn meist ist der Streitwert nicht so hoch, dass man das Prozessrisiko eingehen mag. Zumindest könnt ihr aber nun im nächsten Forenthread klugscheißern! 🙂