Die bösen bösen Adblocker

Fast keine Woche vergeht, wo über böse böse Adblocker berichtet wird. Hier weint eine Seite und dort weint eine Seite… Aktuell weint schreibt Jörg Langer, Chefredakteur von Gamers Global, über das Thema. Das Post steht stellvertretend für die vielen völlig schrägen Ansichten und die Selbstgefälligkeit die teilweise von den „Journalisten“ an den Tag gelegt werden.

Steil steigt er ein mit

Leider denken viele der GamersGobal-Benutzer und -Benutzerinnen bei „Werbung“ im besten Fall an gar nichts (sie sehen sie ja nicht, haha!), und im schlechtesten Fall an Dinge, die – im Interesse aller und allerinnen – hier nicht wiedergegeben werden sollen. Werbung, so die Überzeugung vieler User und Userinnen, ist des Teufels/der Teufelin, nein, viel schlimmer, sie ist gefährlich, weil sie Malware auf den Rechner spült, nein, noch viel schlimmer, weil sie Datenbandbreite kostet, nein, noch viel schlimmerererer, weil, weil, weil, … weil sie unkomfortabel ist! Weil sie nervt!

Ich frag mich hier: Was soll das? Abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher bin, ob er tatsächlich aller ernsthaft gendert oder das Gendern ins lächerliche ziehen will (warum gendert er dann aber weiter?), ist sein Ansatz doch völlig falsch. Warum sollte der User sich rechtfertigen müssen, warum er incoming Traffic filtert? Es ist völlig egal warum ich Werbung blocke, denn es ist mein gutes Recht. Hier zeigt sich schon die falsche Denkweise. Der USER schuldet einem Webseitenbetreiber nicht das Betrachten von Werbung.

Vor allem: Selbst wenn es so wäre: Muss ich die Werbung dann auch anklicken? Darf ich in der (Werbe-)Halbzeit beim Fußball nicht mehr auf Klo, weil ich Werbung schauen muss? Kein Wegzappen wenn bei Pro7 Werbung kommt? Beim Spiegel die Anzeige schnell überblättern gemein?

Ja die Monetarisierung von Onlinemedien ist heute ein Problem. Aber wisst ihr was das eigentliche Problem ist? Online-„Journalismus“ ist heutzutage so scheiße, dass kein Mensch dafür tatsächlich Geld ausgeben würde. Und wisst ihr auch wer daran Schuld hat? Der scheiß Werbewahn. Die Krautreporter haben es ganz gut zusammengefasst: Online-Journalismus braucht heute viele Klicks… Alles geht um Klicks und Views. Darum werden Artikel, die stilistisch auf eine Seite gehören auf drei Seiten aufgeteilt. Es werden fürchterlich nervige Klickstrecken gebaut, damit bei jedem Klick neue Werbung aufgerufen werden kann. Qualität ist völlig irrelevant, man muss einfach nur immer der erste sein. Heute gibt es Live-Ticker von ALLEM und ÜBERALL. Selbst einigermaßen seriöse Medien verfallen Online auf Bild-Zeitungs-Niveau. Da werden bei Amokläufe absolut ungesicherte Informationen (die irgendwer getwittert hat) auf nen Live-Ticker von seriösen Medien verbreitet. Hallo? Was ist denn da noch die journalistische Arbeit, wenn man ungefiltert irgendwelche Tweets verbreitet? Bei SPON bestehen teilweise ganze Artikel nur noch aus Tweets. Dazu werden zu Themen nicht 1 oder 2 relevante Artikel geschrieben, nein es kommt jede Stunde ein neuer Artikel ohne neue Informationen. Der Sieg gegen Brasilien hat auf SPON zweistellige Anzahl an Artikeln bescherrt… Hallo? Was ist bitte nach Abpfiff so wichtiges passiert, dass man so viele Artikel braucht? Ach ne… man braucht einfach Klicks.

Aber weiter zur Kolumne. Er schreibt weiter:

Schließlich schaltete man ja den Adblocker aus einem Gefühl der gönnerhaften Freiwilligkeit aus, und erwartete, nun entsprechend sehr dezente Werbung zu sehen, sagen wir, eine 5 Punkt große Schrift in Grau auf weißem Grund. Werbung für sensible, gebildete Menschen mit Stil. Aber bitte nicht dort, wo man sie gleich wahrnehmen könnte, sondern, sagen wir, nach zweiminütigem Runterscrollen unten rechts. Dort, wo sicherlich jeder Werbetreibender Premiumsummen bezahlt, damit graue 5-Punkt-Schrift auf weißem Grund angezeigt wird.

Der erste Satz zeigt wunderbar die egoistische Einstellung. Das Geschäftsmodell besteht doch nicht nur aus Webseitenbetreibern, sondern auch aus Werbenden und den Usern. Der User der sich für Werbung nicht interessiert und sie ignoriert, ist für den Werbenden eh nicht interessant. Das Interessiert Langer aber gar nicht… Er möchte Werbung, die den User nicht interessiert, trotzdem ausliefern und dafür Geld erhalten. Warum eigentlich? DARÜBER müsste man mal nachdenken. Das Geld zahlt nicht der User (der die Texte liest), sondern der Werbende. Was genau leistet die Webseite denn, um ihre Werbung verdient zu haben? Gute Texte an den User? Aber der User zahlt doch gar nicht? Die Leistung die vom Werbenden gezahlt wird, ist nicht für den Content der Seite. Der Werbende zahlt für die Auslieferung der Werbung.

Vielleicht denke ich hier auch zu sehr als Jurist, aber die Argumentation ist schon extrem schräg.Person C verschenkt etwas an Person A, weil C sich von Person B einen Vorteil verspricht, weil Person B sich gleichzeitig einen Vorteil von Person A verspricht. Wenn Person A nun nicht den Vorteil an Person B leistet, beschwert sich C über A. Das ist bei Juristen ein klassischer Motivirrtum und „Pech“…

Genau an diesem Punkt enttarnt sich meist die absurde Argumentation der Webseitenbetreiber. Den Content den sie liefern ist für den User for free. Geld kriegen sie von den Werbenden und zwar für eine komplett andere Leistung. Vielleicht dazu eine Information aus den Print-Medien. Jeder hat sicher mal auf Dealz-Seiten gesehen, dass man Zeitschriften-Abos (dank Prämien) häufig für nahezu 0 Euro bekommt. Das heißt man zahlt 90 Euro und erhält 90 Euro Amazon Gutschein oder ähnliches für ein Abo. Hier geht es lediglich darum, dass die Auflage der Zeitschrift gesteigert wird, damit höhere Werbepreise verlangt werden können. Genauso wie bei dem künstlichen generieren von Klicks (um mehr Werbeaufrufe zu erzeugen), kann man hier darüber streiten, ob das überhaupt im Sinne des Werbenden ist. Möchte ich tatsächlich, dass meine Werbung auf ner Klickstrecke für wenige Sekunden angezeigt wird und auch noch als störend empfunden wird?

Langer scheint das völlig egal zu sein

Ich habe kein Verständnis mehr dafür, dass Website-Parasiten zwar gerne regelmäßig auf GamersGlobal kommen, hier vielleicht sogar registriert sind, aber mir dann erzählen wollen, ich (natürlich nur im übertragenen Sinne) sei Schuld, wenn sie den Adblocker nicht aus- oder nach kurzem Versuch einmal pro Jahr gleich wieder anmachen. 

Die Bezeichnung Website-Parasit ist interessant. Wenn das die Definition von Parasit von Langer ist, dann wären für ihn auch Bienen Parasiten, die keine Pollen mitnehmen oder nicht zur gleichen Blumengattung fliegen. Wenn man kostenlos Nektar anbietet und sich dadurch Vorteile eines Dritten (Werbenden) erhofft, dann kann man doch nicht von Parasitismus sprechen, wenn sich der User dazu nicht missbrauchen lässt.

Dann kommt Langer mit seinem BWL-Verständnis

Man muss kein Mathe- oder BWL-Genie sein (Gibt es das eigentlich: BWL-Genies? Ich frage ja nur!), um zu erkennen, dass das in der Kombination keine sonderlich zukunftsbejahende Entwicklung ist.

Er ist kein BWL-Genie, weil ansonsten wäre ihm die Idee gekommen, dass es für seine Webseite vielleicht einfach keine Zukunft gibt? Online-Journalismus ist in der Regel scheiße. Gaming-Webseiten sind von Foren mittlerweile völlig ersetzt worden. Heute braucht man nur noch NeoGAF und das war es auch.

Vielleicht funktioniert sein Konzept einfach nicht mehr, dass er seine Texte verschenkt und darauf hofft, dass er Geld mit der Werbung macht? Die großen Onlinemedien haben umgeschaltet. Bild.de bietet nun z.B. Bild PLUS an, quasi ein Premium-Dienst. Sollte Bild tatsächlich genügend interessant Artikel anbieten, werden die User auch dafür zahlen. Wenn man dagegen nur mittelklassige Artikel und Klickstrecken anbietet, dann darf man sich auch nicht wundern.

Ein Webseitenbetreiber hat doch kein RECHT darauf, dass seine (beschissene) Monetarisierung aufgeht… Es erinnert mich an nen Supermarkt, der mit Lockangeboten die Kunden in seinen Laden holt, weil er hofft, dass die dann auch andere Sachen bei ihm kaufen. Am Ausgang stellt er sich dann hin und schimpft „Du hast ja nur mein Lockangebot gekauft! So geht mein Konzept aber nicht auf!“… Hallo? Dann lass die Scheiße doch sein?

Am Ende seines Artikels kommt er tatsächlich zum wichtigen Punkt:

Nun habe ich mir für GamersGlobal.de, das erkenne ich immer mehr, eine besonders schwere Strategie ausgedacht vor fünf Jahren: Ich wollte auf Qualität setzen, nicht auf billigst abgeschriebene News oder Previews auf Grundlage zweier Screenshots oder Tests nach drei Stunden Spielzeit. Oder auf Babes-Umfragen und ähnliche Klickbringer. Doch die avisierte Zielgruppe älterer, anspruchsvoller, mitmachwilliger Spielefans ist nicht nur besonders schwer zu bedienen (lange, ausführliche Tests, eigene Screenshots) und zu pflegen (großes Diskussionsbedürfnis, Erwartung von Feedback und Auskunft) und besonders kritisch – sie ist auch überdurchschnittlich interneterfahren und setzt dadurch häufiger Anzeigen-tötende Maßnahmen ein, als das auf, sagen wir, die Besucher von Fickenmachtfreude.de zutrifft.

Leider denkt er dann nicht weiter. Was wäre die Konsequenz aus dieser Erkenntnis?

A: Ich schreibe eine Kolumne wie böse alle zu mir sind

B: Ich erkenne, dass mein Konzept nicht aufgeht und lass es sein

Für Langer war anscheinend A die richtige Antwort…

Schmunzeln musste ich übrigens hier:

 Denn, und damit zurück zu GamersGlobal.de, dieselbe Zielgruppe, die so schwer zu befriedigen ist, müsste doch eigentlich zumindest in ihrer Mehrheit die kognitiven Fähigkeiten haben, um einen kausalen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und einer einfachen Wahrheit herzustellen: Wenn wir auf Dauer zuwenig Geld erwirtschaften, wird es GamersGlobal.de nicht noch einmal fünf Jahre geben.

Langer kann sich gar nicht vorstellen, dass die Leute die (behauptete) Kausalität erkennen, es ihnen aber scheißegal ist? Er kann sich anscheinend gar nicht vorstellen, dass Leute GamersGlobal konsumieren, es ihnen aber total egal ist ob sie dicht machen müssen oder nicht.  Dies zeigt dann auch der folgende Absatz:

„Ist mir doch egal!“, wird sich da mancher denken, und das auch prinzipiell zu Recht: GamersGlobal.de ist keine vom Aussterben bedrohte Tierart, kein Nationalheiligtum und auch sonst nichts, weswegen die Welt eine bessere wäre, solange die Site existiert. Mein Gott, wir schreiben über Spiele! Über ein Luxusgut, über das nachzudenken der größte Teil der Menschheit gar nicht den Luxus hat. Aber… es kommen dann doch erstaunlich viele Menschen, die den Luxus haben, hierher, um ihre Meinung kundzutun, man braucht sich ja nur die Kommentar-Zahl unter unseren Inhalten anzusehen. Und gerade weil ich weiß, wie schwer es ist, diese anspruchsvollen Menschen zufriedenzustellen, frage ich mich, wo diese vielen anderen anspruchsvollen Websites sein sollen, die einem das Gleiche bieten würden, gäbe es die unsrige nicht mehr.

Er glaubt, weil jemand die Seite besucht, hängt er tatsächlich an ihr… Würde er tatsächlich an ihr hängen, dann würde er nen monatliche Beitrag zahlen. Da GamersGlobal aber keine Paywall nutzt, geht man wohl davon aus, dass die eigene Webseite doch nicht so geil ist, dass die Leute monatlich zahlen würden. Das ist übrigens auch kulturell gar kein Problem… Dafür zahlen wir nämlich GEZ, damit wird auch Medien haben, die diesen Werbedruck nicht haben.

Am Ende dann noch eine Krönung höchster Arroganz

Als frohes Schlusswort an jene Geistesgrößen, die mir nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schreiben werden: „Ist doch nicht mein Problem, wenn euer Geschäftsmodell nicht funktioniert!“ – doch, ist es. Denn irgendwann ist GamersGlobal unter Umständen einfach weg, und dann müsst ihr euch in noch viel armseligere, noch ahnungslosere, noch firmengekauftere Umgebungen begeben, um euren Senf abzusondern

Oder es erscheint einfach eine qualitativhochwertige Webseite und die Leute zahlen dafür?

Zum Abschluss auch noch sehr interessant:

Das Problem an unserem Geschäftsmodell ist auch nicht, dass es nicht funktioniert und etwa einseitig auf Anzeigen baut, als gäbe es die Adblocker-Problematik nicht – wir haben längst diversifiziert, Anzeigen machen „nur“ gut 50% unserer Einnahmen aus. Das Problem ist, dass unser Geschäftsmodell darauf baut, dass sich die Nutzer unseres Geschäfts halbwegs fair verhalten. Und das heißt, für die, die die letzten 20 Absätze übersprungen haben: Abo abschließen oder Adblocker abschalten; plus die genannte Einschränkung weiter oben. Wenn zu viele das nicht tun, kommt das Geschäftsmodell ins Wanken.

Das Geschäftsmodell soll angeblich nicht nicht funktionieren, aber wenn es nicht so genutzt wird wie er es sich vorstellt kommt es ins Wanken. Ja klingt nach einem sehr funktionsfähigem Geschäftsmodell…

Eigentlich kann man es ganz kurz fassen: Irgendwann wird es für Webseiten nicht mehr möglich sein sich durch Werbung zu finanzieren (Das war vor 20 Jahren übrigens auch der Fall), der Ausweg sind alternativen Geschäftsmodelle. Vermutlich wird es irgendwann ne „Medienflat“ geben, in der sich die großen Verlagshäuser zusammentun und für ne monatliche Pauschale Zugriff auf ihre Inhalte erlauben. Dann wird man schreien „kleine Seiten wird es dann nicht mehr geben“… Tja das mag es sein… Es gibt auch keine kleinen Printzeitschriften mehr… oder kleine Stromunternehmen… Aber wisst ihr was? Die meisten kleinen Seiten sind scheiße und es würde keinen stören wenn sie verschwinden würden… Mancher kostenfreie (und werbefreie) Blog ist interessanter, als so manche semiprofessionelle Webseite.

Ein Skandal der keiner ist

Ich liebe ja solche Beispiele… Durch die Presse geht ein neuer Skandal (ala die verrückten Amis verbieten uns jeden Spaß [z.B. mit leeren Handys zu fliegen]).

Zum Beispiel:

https://www.spiegel.de/politik/ausland/terror-angst-usa-verbieten-leere-handys-im-flugzeug-a-979555.html

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/07/06/fluege-in-die-usa-passagiere-muessen-handy-vor-boarding-aufladen/

https://www.nzz.ch/mehr/digital/verschaerfte-vorschriften-kein-strom-im-handy-keine-flug-in-die-usa-1.18337952

https://www.blick.ch/news/ausland/terror-angst-in-den-usa-fliegen-mit-leerem-handy-akku-bald-verboten-id2967084.html

https://www.format.at/articles/1427/931/376576/usa-handys-ipads-laptops-saft-flugverboot

https://www.abendblatt.de/politik/article129862092/USA-verbieten-bei-Direktfluegen-nicht-aufgeladene-Handys.html

Erst einmal sind die meisten Überschriften natürlich quatsch… Natürlich sind leere Handys nicht VERBOTEN (das würde bedeuten, dass man sie nicht mitnehmen darf). Auch müssen die Passagieren natürlich nicht das Handy vor dem boarding AUFLADEN. Lediglich wenn man kontrolliert wird, muss man auf Aufforderung das Gerät anschalten können. Wenn man aber nicht aufgefordert wird, darf man natürlich das leere Handy transportieren.

Aber was wichtiger ist: Das gilt seit es Laptops gibt und zwar auch außerhalb der USA Flüge. Ich frag mich ob Journalisten noch nie geflogen sind? Elektrogeräte wurden schon immer einzeln gescannt und wurden stichprobenartig auf ihre Funktionsfähigkeit getestet. Das heißt bei Laptops, Handys und Tablets wurde geschaut ob die Geräte angeschaltet werden können. Bei Fotoapparaten muss gegebenenfalls ein Foto geschossen werden (!!!Fotoapparate ohne Film sind demnach auch „verboten“!!!!)…

Davon, dass ein Laptop am Flughafen gegebenenfalls auf Funktionstüchtigkeit geprüft wird, wird hier zum Beispiel schon im November 2001 berichtet: https://www.powerforen.de/hardware/88323-notebook-flughafenkontrolle.html

Der Fall Gauck

Seit rund drei Tagen geht der Fall Gauck mal wieder durch die Presse (Stellvertretend für viele: Klick)

Kurze Zusammenfassung: Die Bundestagsabgeordnete haben bisher in unregelmäßigen Abständen ihre Diäten erhöht. Bei jeder Erhöhung gab es die Diskussion ob die Erhöhung 1. angemessen ist und 2. ob es wirklich sinnvoll ist, dass die sich selbst die Diäten erhöhen können.

Nun hat der Bundestag beschlossen, dass die Gehälter an denen von Bundesrichtern (R6) angeglichen werden und zukünftig an die Lohnentwicklung in Deutschland automatisch angepasst (steigen die Bruttolöhne in Deutschland, steigt auch die Diät um den gleichen Prozentsatz).Letzteres ist ein Problem. Gauck hat bisher dem Gesetz seine Unterschrift nicht gegeben und prüft noch.

Dazu braucht man ein bisschen Hintergrundwissen. Im Jahr 1975 hat das BVerfG ein Urteil zu den Abgeordnetendiäten erlassen. Damals waren die Gehälter ebenfalls an den Gehältern von Bundesrichtern angepasst. Das BVerfG entschied jedoch, dass die Gehälter nicht automatisch steigen dürften, sondern die Abgeordneten immer selbst entscheiden müssen, wie, wann und ob ihre Diäten steigen.

In den letzten 40 Jahren haben die Abgeordneten sich aber weniger Erhöhungen gönnt, als die sonstigen Löhne im Land gestiegen sind. Aus diesem Grund hinken sie heute rund 980 Euro hinter den Bundesrichtern hinterher. Das heißt die erneute Anpassung führt erst einmal zu einer Anhebung der Diäten wieder auf das Niveau der Bundesrichtern.

Das zweite Problem, die nicht erlaubte automatische Anpassung, will der Bundestag damit umgehen, dass er am Anfang der Bundestagsperiode immer Einzeln beschließt, dass die Diäten in den kommenden 4 Jahren genauso steigen, wie die Lohnentwicklung im Land. Rechtlich ist umstritten, ob dies den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird oder nicht. Aber wieder zurück in die Gegenwart:

Wie zu erwartet hat sich der gesunde Volkszorn vom Stammtisch in den Kommentaren eingefunden. Die Erkenntnis aus den Kommentaren ist. 1. Abgeordnete Arbeiten eh nicht, 2. Die Kommentatoren kriegen selbst mit Hartz IV weniger, 3. Die Welt ist gemein zu den Kommentatoren.

Sehr kurios ist jedoch folgendes: Die Leute begrüßen, dass der Bundespräsident inhaltlich die Gesetze auf die Verfassungsmäßigkeit prüfen kann. Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist im Jurastudium Inhalt des 1. Semesters.

Dabei springt jederzeit folgendes Problem ins Auge: Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Man sollte massive Bauchschmerzen bekommen, wenn der Bundespräsident (der nur sehr schwach demokratisch legitimiert gewählt wird, weil er über 8 Ecken gewählt wird) tatsächlich ein Gesetz stoppen kann, was vom gesamten Bundestag, welches in freien Wahlen gewählt wurde, teilweise soar direkt vom Volk, beschlossen wurde. Auch der Gesetzeswortlaut in Art. 82 I GG (Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt) ist recht eindeutig. Der Bundespräsident hat zu unterschreiben, wenn die Vorschriften des Grundgesetzes eingehalten wurden.

Von daher hat der Bundespräsident ein inhaltliches (materielles) Prüfungsrecht nur sehr eingeschränkt. Der Bundespräsident darf die formelle Verfassungsmäßigkeit prüfen, das bedeutet, ob das Verfahren eingehalten wurde. Das heißt vor allem, dass die Mehrheit vorliegt, der Bundesrat richtig beteiligt wurde und die Zuständigkeit gegeben ist. Inhaltlich hat er nur dahingehend ein Prüfungsrecht, dass er kein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz unterschreiben muss. Das ist hier aber definitiv nicht der Fall. Es wird lebhaft diskutiert, ob es verfassungswidrig ist. Alleine diese Diskussion zeigt schon, dass es nicht „offensichtlich verfassungswidrig“ ist.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Kommentatoren tatsächlich einen Bundespräsident haben möchten, der nach Gutdünken entscheidet ob ihm die Gesetze gefallen oder nicht… Dafür haben wir schon 16 ältere Damen und Herren beim BVerfG und bereits die Macht die beim BVerfG auf wenige (und schwach demokratisch legitimierte) Personen aufgeteilt ist, ist problematisch.

Der Fahnen „Diebstahl“

Momentan auf vielen Blogs zu sehen ist folgender Artikel: Klick mich

Im Artikel wird vom „Fahnen-Klau“ oder „Fahnen-Diebstahl“ gesprochen. Da hier ja doch gelegentlich die Frage aufkommt, was einem so im Studium erwartet, bietet dieser Artikel eine wunderbare Grundlage, um dies einmal zu demonstrieren (sollten es an der einen oder anderen Sache etwas ungenau sein, mag man es mir Verzeihen, die Einzelheiten der Delikte sind schon etwas her, dass ich sie das letzte Mal gelernt habe).

Der erste Punkt ist natürlich der Diebstahl nach § 242 StGB. Der Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: Eine Fahne ist unproblematisch eine bewegliche Sache. Sie ist auch Fremd, weil sie dem Hauseigentümer gehörte. Wegnahme ist der Bruch fremden und begründen neuem Gewahrsams. Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft. Die hat der Eigentümer unproblematisch verloren und die Sachherrschaft wurde vom „Dieb“ ausgeübt.

Subjektiv muss neben dem normalen Vorsatz aber auch eine Zueignunsabsicht vorliegen. Das bedeutet: Es muss billigend in Kauf genommen werden, dass der bisherige Berechtigte enteignet wird und der Täter muss mit Absicht (Es muss ihm gerade darauf ankommen) sich die Sache zueignen.

Ersteres ist unproblematisch erfüllt, der bisherige Eigentümer wird aus seiner Position als Eigentümer der Fahne verdrängt. Problematisch ist jedoch die Aneignung. Der Täter will sich ja gar nicht die Fahne zu nutze machen… Weder will er sie seinem Vermögen zufügen, noch selbst irgendwie Nutzen oder sonst was damit funktionell ausführen. Es geht ihm einzig und alleine darum, dass der bisherige Eigentümer sie nicht mehr hat.

Somit liegt kein Diebstahl vor.

Eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) scheitert an einer ähnlichen Problematik. Die Zueignungsabsicht muss sich bei der Unterschlagung irgendwie nach außen manifestieren. In der Regel also, dass sich jemand selbst als neuer Eigentümer aufspielt. Dies ist hier nicht gegeben.

Nun muss man etwas kreativer werden. Was kommt noch in Frage?

Theoretisch möglich wäre eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB. Eine fremde Sache haben wir. Wurde sie aber beschädigt oder zerstört? Davon wissen wir nichts… Vielleicht liegt sie irgendwo sicher verwahrt. Somit auch keine Sachbeschädigung, solange die Sache nicht beschädigt oder zerstört wird.

So und nun bleibt eigentlich nur noch eins: Der Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. Tatsächlich scheint dieser Tatbestand einschlägig zu sein. Dazu müsste man aber auf befriedetes Besitztum gelangt sein. Im Artikel steht, dass die Diebe sich wohl durch eine Hecke kämpften. Wenn die Hecke tatsächlich das Grundstück abgrenzte, muss wohl von einem Hausfriedensbruch ausgegangen werden. Denn der Eigentümer des Grundstücks wollte sicher nicht die Leute zum Klauen der Flagge auf dem Grundstück haben.

Und was für Auswirkungen hätte das nun in der Praxis?

Tatsächlich könnte ein Staatsanwalt hier den Diebstahl nach § 242 StGB anklagen. Dann droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Ein geschickter Verteidiger könnte nun aber genau diese Mängel aufzeigen und deutlich machen, dass die Fahne ja nicht entwendet wurde, um sie seinem eigenen Vermögen zuzueignen, sondern nur entfernt werden sollte. Sollte dann wirklich nur der Hausfriedensbruch übrig bleiben, droht lediglich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Dies ist im Gegensatz zum Diebstahl wirklich eine Bagatelle und würde vermutlich (bei Ersttätern folgenlos) eingestellt werden.

Radfahrer-Urteil oder Warum der BGH falsch liegt

Heute hat der BGH im Radfahrer-Urteil entschieden. Kurze Zusammenfassung: Radfahrerin fährt ohne Helm. Autofahrerin öffnet ohne zu schauen die Tür. Radfahrerin fällt hin und verletzte sich am Kopf, weil sie keinen Helm hat. Autofahrerin sagt „hättest du nen Helm getragen, wären deine Verletzungen nicht so schlimm, ich zahl nur 80%“. Radfahrerin sagt „Ich fahr so viel ohne Helm wie ich möchte und du sollst 100% zahlen“. Das LG Flensburg gab der Radfahrerin Recht. Das OLG Schleswig entschied dagegen zugunsten der Autofahrerin. Nun hat der BGH entschieden. Der BGH schließt sich grundsätzlich dem LG Flensburg an. Die Radfahrerin hat demnach kein Mitverschulden am Schaden.

In der Presse wurde die eigentlich juristische Frage häufig massiv falsch dargestellt. Es geht nicht darum, ob eine Helmpflicht besteht oder nicht. Selbst wenn der BGH anders entschieden hätte, wäre es keiner (auch keiner quasi) Helmpflicht gleichgekommen. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen „Du darfst das nicht machen“ und „Du darfst das machen, wenns aber schief geht, dann ersetzt dir keiner den Schaden“. Auch in anderen Bereichen gilt letzteres, ohne dass es einem Verbot gleichkommt. Wenn jemand schneller als 130km/h auffer Autobahn fährt und es kommt zu einem Unfall, wird er regelmäßig zumindest seine Betriebsgefahr (20%) tragen müssen. Zumindest kann er sich aber nicht darauf berufen, dass der Unfall unabwendbar war.

Auch der ungeschützten Geschlechtsverkehr ist in Deutschland nicht verboten. Auch würde keiner sagen, dass es ein „Quasi-Verbot“ gibt. Kommt es dann aber zu einer HIV-Infektion, wird der Schadensersatz regelmäßig gemindert, weil beiderseitig auf Kondome verzichtet wurde. Der große Unterschied zwischen einem Verbot und einem eigenverantwortlichem Risiko: Im 1. Fall werde ich auch bei Nichteintritt eines Schadens sanktioniert (Bußgeld oder Strafe). Im 2. Fall muss ich lediglich die Kosten für den Schaden tragen, wenn etwas schiefgeht.

Zwischenfazit: Natürlich darf man son Blödsinn machen, wie ungeschützten Sex in Dark Rooms, 200km/h auf der Autobahn oder Radfahren ohne Helm… Aber wenn dann was passiert, muss man halt die Konsequenzen (mit-)tragen.

In der Gesellschaft (und vor allem den Online-Kommentaren) werden hier viele Bereiche vermengt. Der häufigste Tenor ist „der Staat soll mir nicht alles verbieten, ich bin ein eigenverantwortlicher Mensch und darf selbst entscheiden ob ich mit Helm fahre oder nicht“… Genau dies zeigt, wie schräg diese Ansicht ist. Denn die Person will ja gerade KEINE Eigenverantwortung übernehmen. Denn Eigenverantwortung bedeutet, dass man selbst die Verantwortung übernimmt, wenn man ohne Helm fährt aka wenn der Kopf dann matsch ist, man selbst schuld hat. Nein, man möchte ohne Helm fahren, die Verantwortung aber dann auf die Allgemeinheit abwälzen.

Das heutige BGH-Urteil (was rechtlich sicherlich gut vertretbar ist und insgesamt eine schwere Frage ist) ist aber kein Urteil für die Freiheit oder Eigenverantwortlichkeit, sondern ein Urteil, dass die individuellen Risiken die man eingeht auf die Gesellschaft überträgt. Somit das Gegenteil von Eigenverantwortlichkeit. Auch fragt sich kaum jemand, was denn bitte die Autofahrerin dafür kann, dass ihr Unfallopfer keinen Helm getragen hat.

Sofern ich das Ergebnis vom BGH für vertretbar halte (ich hätte als Richter aber vermutlich anders gestimmt), ist die Argumentation, zumindest soweit sie sich aus der Pressemitteilung ergibt, wenig überzeugen. Der BGH stellt treffend fest:

Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.

Es geht also primär darum, ob ein „ordentlich und verständiger Mensch“ beim Radfahren einen Helm tragen würde. Hier macht der BGH aber meiner Meinung nun einen argen Fehler, wenn es weiter argumentiert:

Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm.

Hier sind gleich zwei Punkte problematisch. Auf der einen Seite unterstellt der BGH, dass die Mehrheit der Menschen „ordentlich und verständig“ ist. Er kann sich anscheinend nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Menschen dies nicht ist. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Autofahrer regelmäßig Stoppschilder ohne vollständigen Stillstand an der Haltelinie überfahren (sicherlich mehr als 50%). Würde der BGH dann hier auch kein Mitverschulden annehmen, wenn jemand ein Stoppschild überfährt? Ich glaube nicht. Klar liegt der Fall hier etwas anders (da das Überfahren der Stoppschildes sanktioniert wird), aber die Argumentationsweise wäre die selbe.

Der zweite Punkt, der imo noch schwerer wiegt ist: Die Frage ist doch schon falsch gestellt worden? Es kann doch nicht darum gehen, was der „ordentliche und verständige“ Mensch tut, sondern es muss darum gehen, was der „ordentliche und verständige“ Mensch meint tun zu sollen. Die Frage „Fahren sie mit Fahrradhelm?“ ist eine andere als „Sind Sie der Meinung, dass ein verantwortungsvoller Radfahrer mit Helm fahren sollte? Und es wird sicherlich etliche Radfahrer die sagen würden, dass sie zwar ohne Helm fahren, jedoch einsehen, dass sie eigentlich einen tragen sollten.

Der BGH hat hier wohl eher politisch motiviert geurteilt. Da es sich aber ja anscheinend mit dem gesunden Volkszorn deckt, wird es in der Allgemeinheit relativ positiv aufgenommen. Argumentativ fällt die Begründung aber sehr dünn aus. Obwohl ich das Ergebnis zumindest für vertretbar halte, auch wenn ich anders entschieden hätte.