Niemand wollte ACTA oder VDS

Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie lächerlich das ganze Mitläufertum bei ACTA war. Kaum einer hat sich die betreffenden Stellen angeschaut (Dabei handelt es sich um lediglich 1 1/2 Seiten), denn sonst hätte man gemerkt, dass das gegen was man ist, gar nichts mit ACTA zu tun hat. So sehr ich das Ziel dahinter auch gut heißen mag, ist es immer wahnsinnig lächerlich, wie Leute die ALLES was vom Staat kommt hinterfragen und sich an jeder Ecke manipuliert fühlen, einfach so nem Frosch im Wasserglas auf YouTube blind folgen. Aber das soll eigentlich gar nicht das Thema sein.

Die EU-Politiker haben nun also ACTA abgelehnt. Und zwar wie? Mit der gleichen Begründung wie die Protestler es getan haben. Auf einmal war keiner mehr Befürworter von ACTA und man greift wirklich teilweise 1:1 die Argumentation der Protestler auf. Sehr gerne hört man heute „ACTA sei zu schwammig“ und „schwammige Texte sind gefährlich“. Solche Sätze kommen nicht von irgendwem, sondern von jemanden der beruflich Gesetze verabschiedet. Als Jurist muss man sich da wirklich an den Kopf fassen… Natürlich muss es eine bestimmte Bestimmtheit geben, vor allem wenn es um ein Verbot geht. Jeder Mensch muss grundsätzlich wissen, was er darf und was er nicht darf.

Aber wir haben kein Case Law, sondern unsere Gesetze leben von Auslegung. Gerne mag man darüber streiten welches System nun Leistungsstärker ist. Am Case Law wird die Starrheit kritisiert und dem römisch-europäischen Rechtssystemen wird ihre Ungenauigkeit vorgeworfen. Mag so sein, das ändert aber nicht daran, dass wir nun einmal ein römisch-europäisches Rechtssystem haben. Recht und Gesetz bedürfen der Auslegung in Europa und die Einzelfallgerechtigkeit wird nicht im Gesetz erreicht, sondern im Gerichtssaal. Ein offener Gesetzestext hilft es Recht und Gerechtigkeit zu verbinden und ist nahezu der einzige Weg, damit man wirklich sagen kann „Das Gesetz ist für die Menschen da“. Und da stellen sich nun EU-Politiker hin und kritisieren einen Text, weil er ungenau ist und der Auslegung bedarf? Ganz davon abgesehen, dass die gleichen Politiker diesen Text verfasst haben, könnte man damit nahezu jede Norm im europäischen Recht angreifen. Für den Laien mag es vielleicht komisch Klingen, dass im deutschen Zivilrecht jeder „nach Treu und Glaube“ zu handeln hat, dieser Grundsatz erlaubt es aber den Gerichten grobe Ungerechtigkeiten zu lösen und das sollte ein Profi, wie die EU-Abgeordnete sind, eigentlich wissen.

Darüber hinaus zeigt es auch, dass die EU-Politiker anscheinend sich vorher ACTA weder angeschaut haben, geschweige denn sich damit intensiv beschäftigt. Die wollen mir tatsächlich weiß machen, dass sie erst nach den Protesten und nachdem mehrere osteuropäische Staaten und Deutschland sich weigerten zu unterschreiben, realisiert haben, wie schwammig der Text sei? Lächerlich… Da sind mir die einzelnen Stimmen lieber, die ganz offen sagen, dass die Bürger ACTA einfach nicht verstanden haben. Denn genau das ist der Fehler an ACTA gewesen, man hat den Bürgern nicht genug erklärt, dass die Auswirkungen viel geringer sind, als der Frosch im Wasserglas das einem glauben machen will.

Konsequent lächerlich machen sich die EU-Politiker nun auch bei der Vorratsdatenspeicherung. Auf einmal (Nach mehreren Jahren!) fällt denen doch tatsächlich ein, dass einige Staaten die VDS nutzen um leichte Kriminalität zu verfolgen. Zusätzlich soll die Speicherzeit „natürlich [SIC!] kürzer“ ausfallen. Es ist ein absolutes Armutszeugnis für die ganze EU-Riege, dass sie Sachen verabschiedet die sich wirklich nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Das mag auch daran liegen, dass man ungeliebte Politiker gerne einmal einen Posten auf EU-Ebene zuschanzt, damit er Weg ist und die Fresse hält. Er kriegt im relativ machtlosem EU-Parlament seine Bezüge und lässt sich gelegentlich von Guttenberg das Internet erklären und winkt dann die einzelnen Anträge ab, die eh schon im Rat beschlossen wurden.

Und vor diesem Hintergrund graust es mir, dass jemand wie Schäuble oder Gysi fordert, dass wir eine neue Verfassung brauchen, damit man sich mehr in die EU einbringen kann. Ganz davon abgesehen, dass ich ein weiteres Einbringen in die EU (unter Berücksichtigung des Demokratie-Prinzips) für unproblematisch halte mit dem jetzigen Grundgesetz, macht es mir schon Angst. Die Leute die weder ACTA noch die VDS anständig verstanden haben und später wie ein Fähnchen im Wind hängen, sollen noch mehr Macht gegenüber dem nationalen Parlament haben? Leuten denen nach Jahren einfällt, dass die VDS vielleicht doch nicht so geil ist?

Es ist ja auch nicht so, dass von den EU-Abgeordneten hohe juristische Leistungen erwartet werden (Wobei ACTA und VDS eh kein primär juristisches, sondern viel mehr ein politisches Thema ist). Es hätte einfach ausgereicht, dass man unserer Bundesregierung zugehört hätte. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat ja nicht nur ACTA als eine der wenigen tatsächlich Verstanden, sondern auch von Anfang an die Verfassungswidrigkeit der damaligen deutschen VDS erkannt. Zusätzlich hat sie mit dem Quick-Freeze-Konzept sogar einen vermutlich verfassungskonformen Weg aufgezeigt.

Wahrscheinlich wird die EU, die jetzt die VDS überarbeitet, am Ende zum gleichen Ergebnis kommen, das unsere Regierung seit dem Wechsel von Schwarz/Rot zu Schwarz/Gelb favorisiert. Hat ja nur einige Jahre gedauert… Und den Leuten wollen wir mehr Macht geben?

11 Gedanken zu „Niemand wollte ACTA oder VDS“

  1. Mitläufertum ist doch aber die neue Gesellschaftsform und wird vom Fernsehen/den Marketinkabteilungen dieser Welt gefödert. Wieso soll man es den Leuten verdenken wenn sie gegen etwas sind, was die Politik Ihnen nicht vernüftig erklären kann? Bzw. Ihnen überhaupt nicht erklärt warum sie dafür sein sollten, von daher ist das doch völlig legitim und auch gut so! Auf auf, weiter zum Thema ESM…

    Wer sollte mehr Macht bekommen? Zumindest keiner der im Moment etwas zu sagen hat. Und wenn man schon eine geänderte Verfassung anstrebt sollte man gleich das ganze System umkrempeln:
    Weg von den Wahlen alle 4 Jahre, hin zu einem Internetgestützten, unmittelbaren Stimmrecht (man kann seine Stimme jederzeit, oder auch meinetwegen nur alle 7 Tage, einer Partei/Position geben). Bei einer Abstimmung wird dann das derzeitige Stimmengewicht berücksichtigt.
    Die Deutschen sind zu doof dafür? Nunja, vllt. sollte man mal wieder etwas mehr in die (Aus)Bildung investieren anstatt Geld im schwarzen Schuldenloch zu versenken oder den Eltern 150€ dafür zu zahlen, dass sie ihr Kind vorm TV parken.

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      • Ich glaube er/sie will ein Parlament ohne feste Regierung, sondern mit Abgeordneten/Parteien, denen man „auf Zuruf“ seine Stimme geben und wieder wegnehmen kann. Das Problem der unpopulären Entscheidungen will er wohl dazu nutzen, die Politik insgesamt zu zwingen, mehr in die Bildung der Bevölkerung zu inestieren, so dass wir alle so „besonnen“ oder „schlau“ werden, um die Politiker auch in unpopulären aber notwendigen Entscheidungen zu unterstützen.
        Also wenn ich ihn/sie richtig verstanden hab… klingt mir persönlich aber für eine Staatsform zu „schwammig“. Auf so ein Land kann sich ja kein Mensch verlassen. Was passiert im Kriegsfall? Was tut man gegen Demagogen etc.

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        • Klappt sicher super in der Aristokratie, aber für ne Demokratie wohl wirklich utopisch.

          Ich halte es schon für eine Fehlannahme, dass man jeden Bürger auf ein Bildungsniveau bekommen kann, dass er Sachen wie „ESM“ verstehen kann… Ich tus nicht.

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  2. Naja erstmal muss man ja schauen, was was ist, atm suchen wir uns alle 4 Jahre einer Liste die Aristrokaten aus, die uns gefallen/die uns am wenigsten nicht gefallen.
    Wenn nun wirklich jeder, ohne großen Aufwand die Möglichkeit hat mitzubestimmen, seine Stimme einer Politik geben und wenn sich das Wahlversprechen als Versprecher herausstellt, die Stimme auch wieder abziehen kann, dann ist das doch Demokratie, die Herrschaft des Volkes?!
    Und was sind denn unpopuläre Reformen? Etwas was dem Volk schadet und nur wenigen nützt? Dann wird die Reform bei der Masse zurecht unpopulär und wird nicht genügend Stimmen bekommen.
    Ist es ein nötiger Einschnitt weil Situation xy eingetreten ist? Solange die neuen Politiker ihrer Funktion nachkommen und das wie/warum erklären und wir gleichzeitig mündige Bürger habem, warum sollte so eine Reform unpopulär sein?
    Ist ja auch keine Pflicht teilzunehmen, wer ein Thema nicht versteht, allg. kein Interesse an Politik hat und lieber nur aufsteht – Arbeitet – Freizeit hat – ins Bett geht, fein auch kein Problem.
    @schwammig/Demagogie: Nunja gegen Hetzte setze ich ja Bildung und schwammig, naja denke mal das es keine Unterschiede zu „Merkel dreh dich im Wind“ machen würde.
    Zu guter letzt, Kriegsfall (Verteidigungsfall), da gibts ja heute auch besondere Regeln, das wäre ja kein Problem die beizubehalten, bzw. die Notwenidigkeit ist heutzutage eigentlich nichtmehr gegeben, denn das einzige was Deutschland schnell und relativ überraschend treffen kann sind Raketen, aber wenn das Eintritt ist eh alles vorbei.

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    • Schröder wurde wegen Agenda 2010 abgewählt. Eine unpopulare Reform, von der wir heute massiv profitieren. Denn dass wir heute im Vergleich so gut dastehen hat damit zu tun, dass wir in den letzten 10 Jahren auf viele Sachen verzichtet haben und soziale Einschnitte hingenommen haben.

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  3. Wie Yrgav in Schildi 6 sagte: Man hört, die Bundesregierung macht irrgendwas mit Internet und weiß: Es kann nur schlecht sein! Die Leutchen da oben haben halt unser Vertrauen verspielt, was Netzkompetenz betrifft.

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  4. Welchen Vorteil siehst du in ACTA? Immer mehr Gesetze, Richtlinien, Regeln führen zwangsläufig zu einer Überwachung. Du hast glaube ich mal gesagt, dass alles was darin steht bereits so angewendet wird? Das ist schlichtweg falsch. Momentan muss ein Verfahren durchlaufen werden, welches dann zu den gewünschten Daten führt (in der Schweiz zumindest -wobei hier das Herunterladen von Musik und Filmen vor wenigen Monaten vollständig legalisiert wurde). Für uns zumindest wäre ACTA also einen riesigen Schritt in die falsche Richtung. Ich selber bin übrigens Programmierer und verkaufe auch gerne meine Produkte, knöpfe Schülern/Studenten allerdings nicht gleich viel Kohle ab wie einem Vollverdienenden. Der einzige schlaue Weg die Piraterie zu stoppen ist das anbieten neuer Kaufmöglichkeiten (siehe Netflix in den USA, Spotify, etc..).

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