Hi Ara,
Da du ja auf deiner Seite und in deinem Podcast häufiger über dein Rechtsstudium berichtest, erschien es mir logisch dich als jemanden der sich mit der Materie auskennt und sich auch nicht zu schade ist darüber zu berichten zu kontaktieren.
Zuerst zu mir:
Ich studiere derzeit Business Administration im zweiten Semester an der Fresenius in Hamburg (Insert BWL Joke here). Ich bin zwar mit dem Studium und den Studienbedinungen an sich zufrieden, jedoch merkte ich nach einem Modul Bürgerliches Recht im ersten Semester und zwei Modulen Handels- und Arbeitsrecht im jetzigen, dass mir die Arbeit mit dem Gesetz, die Denkweise und alles drumrum sehr viel Spaß macht. Zudem konnte ich die Prüfung zum Modul im ersten Semester mit relativ wenig Aufwand mit 1 bestehen, was den Gedankengang eventuell zu Wechseln nur weiter befeuerte. Ich habe mich bereits mit meinem Rechtsdozenten gestern ausgiebig unterhalten, der mir riet mich mit eventuellen Bekannten, die ein solches Studium eingeschlagen haben, in Verbindung zu setzen. Da ich in meinem persönlichen Freundeskreis aber (seltsamerweise) keinerlei Rechtsstudenten habe, wende ich mich an dich.
Kannst du mir vielleicht einen etwas genaueren Einblick in das Studium geben? Was zeichnet das Studium an der Uni HH aus? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Würdest du wieder an der Uni HH anfangen Rechtswissenschaften zu studieren? Was würdest du noch als persönliche Note hinzufügen?
Sollte ich wirklich wechseln würde ich ein Studium an der Bucerius favorisieren, jedoch bin ich realistisch genug zu sagen, dass die Chancen dort angenommen zu werden nicht besonders hoch sind.Vielen Dank im Vorraus und beste Grüße,
Tristan
Hi Tristan,
Das wichtigste ist wohl erst einmal, dass die Anforderungen von juristischen Nebenfächern ein Witz sind im Vergleich mit dem was man von Jurastudenten erwartet. Das hat zweierlei Grüne. Erstens haben die Juristen eine Notenskala von 1-18 Punkten, wobei mir erst heute ein Dozent bei der Rückgabe der Klausur sagte „Meine Skala hört eh bei 15 Punkten auf“. Unsere Notenschnitte sehen dann gerne auch mal so aus:
Das ist übrigens keine Ausnahme, sondern eher die Regel. 25-30% Durchfallquote ist normal pro Klausur und ein Notenschnitt zwischen 4,0 und 5,0 ist auch das was normalerweise üblich ist. Mit 4 Punkten hat man bestanden und das ist eine Arbeit die man in der Praxis verwenden könnte. Alles was in der Praxis nicht mehr verwendbar wäre, ist in der Regel durchgefallen. Würde man Nebenfächlern (vor allem Bachelor-Studenten) unsere Benotungsskala zumuten, würde keiner mehr rechtliche Nebenfächer belegen, denn dort zählt ja schon 2,x als Beleidigung.
Der zweite Grund, der wahrscheinlich der wichtigere ist: Das Recht ist eine große Einheit. All unsere Fächer haben einen Bezug zueinander. Das Strafrecht muss die Grundrechte achten und bedient sich beim Eigentum den Normen des Zivilrechts. Das Zivilrecht spricht Schadensersatz bei Straftaten zu und unterliegt vor allem im Verbraucherschutz dem EU-Recht und das öffentliche Recht regel sich bis ins Zivilrecht (zum Beispiel Amtshaftung) und Strafrecht (Was ja eigentlich komplett zum öffentlichen Recht gehört). Ein Jurastudent beschäftigt sich somit ausschließlich mit dem Recht und dies führt automatisch zu einem massiven Wissens- und Anwendungsvorsprung gegenüber Nebenfächlern, die lediglich einen Bruchteil ihres Studiums dafür aufwenden können. Auch sonst gibt es kaum Fächer die so massiv aufeinander aufbauen. Daher braucht das Recht einfach eine gewisse Zeit, um dies zu begreifen.
Daher ist es generell schon mal schwer von Recht als Nebenfach auf ein Jurastudium zu schließen. Daher muss die 1 „mit wenig Aufwand“ auch ein wenig in Relation gesetzt werden. Natürlich ist das besser als eine 4 mit „viel Aufwand“. Aber schon hier sehe ich das nächste Problem: Warum „mit wenig Aufwand“? Das ist auch eine Taktik mit der du im Jurastudium nicht weit kommst, dem muss man sich klar sein.
Jura ist nichts „schweres“. Man stößt selten bis nie an gedankliche Grenzen und es gibt kaum Stoff wo man sagt „Das versteh ich nicht“. Jura ist viel Systematik, grundsätzliche Logik (auf einem sehr einfachem Niveau) und Wissen. Je mehr Zeit man investiert hat und je mehr man über eine Sache gelesen und diskutiert hat, desto besser ist man als Jurist. Auswendiglernen ist übrigens relativ unwichtig im Studium. Das Gerücht des Auswendiglernen kommt daher, dass der Rechtslaie denkt, dass es für jedes Problem eine Lösung im Gesetz gibt. Für Sachen die im Gesetz stehen, braucht man aber keine Juristen, das kann jeder Laie. Der Jurist kommt dann zum Einsatz, wenn es darum geht einen Sachverhalt der nicht ausdrücklich geregelt ist zu lösen.
Daher: Glücklich im Jurastudium wird nur jemand der die Beschäftigung mit dem Recht als Hobby sieht. Der sich für die Frage begeistern kann, ob ein Supermarkthändler mit seinem Preisschild und dem Auslegen der Ware schon ein Angebot für einen Kaufvertrag abgeben möchte oder nicht.
Ebenfalls muss man sich im Klaren sein, dass die Rechtswissenschaft sehr traditionell und konservativ ist. Es gibt strenge Regeln und Vorgaben die einzuhalten sind. Andererseits erlaubt wohl kaum ein Studium so viel Raum für freie Gedanken und das Vertreten einer eigenen Meinung. Trotzdem muss man sich damit abfinden, dass die Werkzeuge des juristischen Arbeitens vorgegeben sind und man sich diesem Zwang unterwerfen muss. In der Beziehung wird bei den Jurist auch in der Regel mehr verlangt als von Studenten anderer Fachrichtungen. Es wird vom ersten Semester ein wissenschaftliches Niveau erwartet und das ist für die meisten Studenten wohl ein Problem. Bei vielen stellt es sich erst nach 2-3 Semestern ein. Das ist eine Sache die man wissen muss: Vom Studenten im 1. Semester wird grundsätzlich das gleiche verlangt wie vom Professor. Eine Hausarbeit im 2. Semester sollte sich für eine Note im oberen Bereich nicht davon unterscheiden, wie es ein Professor es in der Realität lösen würde. Oder um es noch deutlicher zu machen: Du hast am Ende des ersten Semesters BGB AT gehört. Dort erwartet man von dir, dass du über BGB AT auf einem ähnlichem Niveau bist, wie jeder andere Jurist auch (egal wieviele Jahrzehnte er sich schon damit beschäfigt). Man kann zwar manchesmal auf etwas Welpenschutz hoffen, jedoch ist das Anforderungsniveau im 1. Semester nicht höher als im 8. Semester (Es ist aber natürlich mehr Stoff, da es immer aufeinander aufbaut). Das ist wohl der größte Unterschied, vor allem zu den Geisteswissenschaftlern. Daher braucht man ein hohes Frustlevel: Man wird häufig schlechte Noten kriegen und das obwohl man viel gelernt hat und sein Bestes gegeben hat.
Großer Vorteil: Es ist noch ein echtes Studium (Zumindest solange man nicht an der BLS ist). Du hast maximale Freiheit, es gibt keine Anwesenheitspflichten und es interessiert keinen wie du dir den Stoff erarbeitest, so lange du ihn am Ende kannst. Es gibt zu den einzelnen Rechtsgebieten meist so 10-15 Lehrbüchern in denen steht im großen und ganzen das selbe drin und du kannst dir eins aussuchen was dir gefällt. Das Studium ist zum größten Teil eine Bücherwissenschaft. Vorlesungen und Kleingruppen sind optionale Angebote. Man kann theoretische das komplette Studium als Fernstudium durchziehen. Ich selbst bin lediglich so 8-10 Stunden pro Woche in Veranstaltungen der Uni. Würde dann noch so 20-25 Stunden restliche Lernzeit hinzuzählen, so dass ich roundabout auf ne 30 Stundenwoche komme. Was also immer noch recht angenehm ist.
Aus diesem Grund ist auch die Uni relativ egal. Du bist auf das Angebot der Uni nicht angewiesen. Du brauchst Bücher, da haste an der UHH ne ganz anständige Rechtsbibliothek, und das wars eigentlich. Das Jurastudium ist schon ein Einzelkämpfer Studiengang. Wenn du gut bist, dann liegt es an deinem Fleiß und wenn du schlecht bist dann auch. Die Professoren in den Vorlesungen und die Dozenten in der Kleingruppe können eh nur einen Ausschnitt aus dem Rechtsgebiet präsentieren, den Rest muss man sich eh selbst beibringen. Daher ist es egal wo man Jura studiert. Eine Ausnahme ist die BLS. Die ist eher aufgebaut wie ein Bachelorstudiengang oder gar wie eine FH. Das heißt: Hohe Anwesenheitspflicht, hohe Kontrolldichte, wenig Freiheit. Als Gegenleistung hast du an der BLS die bessere Betreuung und die besseren Didaktiker. Dazu hat die BLS gute Beziehung in die Wirtschaft und es macht sich im Lebenslauf gut. Welchen Job du am Ende aber bekommst, hängt alleine von der Examensnote ab. Ob du in Hamburg, Bayern oder der BLS studiert hast, interessiert keinen. Wenn jemand von der Uni Frankfurt Oder 10 Punkte im Examen hat und du von der BLS 9,5 wird man in der Regel dem mit 10 Punkten den Vorrang gewähren. Die 40.000 Euro Studiengebühren kann man daher meiner Meinung nach besser investieren.
Daher ist das Studium nur zu empfehlen wenn: 1. dich grundsätzlich die Beschäftigung mit dem Recht interessiert 2. du bereit bist kontinuierlich und fleißig den Stoff zu erarbeiten („Ich fange 2-3 Wochen vor der Klausur mit lernen an“ hat in Jura wenig Erfolg… Das was andere Studenten in der Klausurvorbereitung an Arbeitsaufwand betreiben, sollte beim Juristen das normale Pensum im Studium sein + Erhöhung kurz vor der Klausur. Genug Freizeit bleibt aber trotzdem) 3. du hast eine hohe Frusttoleranz.
So ich hoffe ich hab dir soweit geholfen, ist doch länger geworden als es eigentlich sollte, aber es gibt einfach ein paar Warnungen die man aussprechen muss. Wir haben viele Wechsler von anderen Studiengängen bei uns, die vorher eine völlig falsche Vorstellung vom Leistungsanspruch hatten (vor allem Lehrämtler). Jura ist sicherlich nicht das schwerste was man studieren kann, aber definitiv ein Fach wo dir von Fleiß und Arbeitsqualität das Maximum abverlangt wird.