Empirie vs. SPON-Kommentare

Eigentlich wollte ich ja mal einen Artikel schreiben, wo ich einfach die dümmsten Kommentare des Netzes zusammenfasse. SPON hat mir diese Arbeit erlassen und Kommentar zu einem Artikel über Kriminalität von jungen Migranten geschrieben (hier).

Für jemand der sich mit dem Thema etwas beschäftigt hat, ist das Ergebnis wenig überraschend: Ausländer (bzw. Migranten) sind grundsätzlich nicht krimineller als Deutsche.Lediglich bei Gewaltdelikten liegen die türkischen Migranten leicht über der Norm.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum dieses Ergebnis in der allgemeinen Bevölkerung skeptisch aufgenommen wird. Ist der größte Teil der Jugendliche die Verurteilt werden denn nicht tatsächlich mit Migrationshintergrund? Sitzen im Gefängnis nicht deutlich mehr Ausländer? Und das obwohl sie nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen? Das ist alles richtig und trotzdem hat es  eigentlich nichts mit dem Thema zu tun.

Das erste Problem entsteht durch die Unterscheidung Hellfeld und Dunkelfeld. Die Statistiken können nur die Straftaten beinhalten, die tatsächlich den Behörden zur Kenntnis gelangt sind (Hellfeld). Bereits das Opfer ist hier ein „Gatekeeper“, denn das Opfer entscheidet meist mit seiner Anzeige, ob dem Staat die Straftat bekannt wird. Und hier ist es wissenschaftlich abgesichert, dass die Anzeigebereitschaft tatsächlich bei Tätern mit Migrationshintergrund höher ist. Das Anzeigebereitschaft beeinflusst übrigens eh sehr stark die Statistik. Dies sieht man vor allem bei Gewaltdelikten: In den letzten 20-30 Jahren ist die Sensibilisierung für Körperverletzung massiv gestiegen. Es kommt viel häufiger zu Anzeigen und daher steigt auch die Anzahl der Körperverletzungen in den Statistiken. Die Dunkelfeldforschung (man befragt Personen anonym ob sie Straftaten begangen haben und/oder ob sie Opfer von Straftaten wurden. Auch hier gibt es aber Probleme: Einmal kann es vor allem bei sensiblen Straftaten [Sexualdelikte] dazu kommen, dass sie diese auch anonym verschweigen. Zusätzlich gibt es aber auch Straftaten von dem ein Opfer nie erfährt [der perfekte Betrug].) zeigt dagegen aber, dass keine Steigerung vorliegt. Jugendkriminalität ist übrigens auch in der Statistik seit 2007 am deutlichen sinken.

Das zweite Problem ist, dass die Bevölkerungsgruppe „Deutsche“ und „Personen mit Migrationshintergrund“ nicht einfach zu vergleichen ist. Migranten sind zumeist jung und männlich… Kriminalität wird vor allem von jungen Männern begangen (Der Peak liegt zwischen 18 und 21 Jahren). Ich kann also nicht einfach 100.000 Migranten mit 100.000 Deutschen vergleichen, denn in der letzten Gruppe sind mehr Frauen und mehr ältere Personen drin. Das gleiche zählt auch für den sozialen Status. Kriminalität (vor allem die Eigentums- und Vermögensdelikte die 3/4 ausmachen) werden häufiger von Sozialschwachen begangen, besonders so Bagatellen wie Ladendiebstahl.

Das dritte Problem liegt in der Eigenart der Ausländer. Ausländer können viel mehr Straftaten begehen als Deutsche. Ein Deutscher kann zum Beispiel gar nicht gegen Asylgesetze verstoßen. Was aber noch gravierender die Statistik verfälscht ist folgender Punkt: Es wird eine Tatverdächtigenbelastungszahl gebildet. Das bedeutet: Wie viele Tatverdächtige gab es pro 100.000 Personen der gleiche Gruppe. So fragt man zum Beispiel: Wie viele Tatverdächtige Frauen gab es pro 100.000 Frauen. Bei Ausländern wurden diese Zahlen auch gebildet. Man gab also an: X ausländische Tatverdächtige pro 100.000 Ausländer. Aber welche 100.000 Ausländer hat man genommen? Die registriert sind beim Einwohnermeldeamt! Man muss kein Einstein sein um zu merken, dass die Zahl der registrierten Ausländer natürlich deutlich geringer ist, als die tatsächliche Zahl. Dabei geht es primär gar nicht nur um illegale Einwanderer. Bereits Touristen verfälschen diese Zahlen. Ein Tourist der sich auf dem Oktoberfest prügelt zählt als Tatverdächtiger, aber die ganzen Touristen zählen nicht in die 100.000 Ausländer. Aus diesem Grund wird diese Zahl seit einigen Jahren  für Nichtdeutsche gar nicht mehr gebildet, weil sie völlig verfälscht ist.

Der gleiche Effekt tritt übrigens auch bei Großstädten auf: Hamburg hat rund 1,8 Millionen Einwohner. Kommt nun jemand aus Niedersachsen (der in HH zum Beispiel arbeitet) und begeht hier eine Straftat, dann zählt er als Tatverdächtiger und die Tatverdächtigenbelastungszahl wird so gebildet, dass er als Tatverdächtiger zählt, aber bei den pro 100.000 Einwohner nur die Hamburger zählen. Ganz schlimm ist dies bei Frankfurt am Main (führt die Kriminalitätsstatistik regelmäßig an): Hier ist ein riesiger Flughafen. Jegliche Straftat die von Reisenden in Frankfurt am Main begangen wird, fließt in die Statistik rein, aber Frankfurt selbst hat gar nicht so viele Einwohner.

So und aus diesem Grund sind die Kriminalitätsstatistiken relativ unbrauchbar, wenn es um die Frage geht, welche Bevölkerungsgruppe besonders kriminell ist. Die Statistik kann lediglich die Belastung der Ermittler aufzeigen. Dafür ist sie primär auch gemacht. Steigen die Straftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik, so heißt dies nicht, dass tatsächlich mehr Straftaten begangen wurden, es zeigt lediglich, dass die Polizei mehr zu tun hatte. Die empirische Forschung zeigt ein recht einheitliches Bild: Rechnet man die ganzen Faktoren raus und berücksichtigt man Deutsche und Migranten mit den gleichen Voraussetzungen (gleiches Alter, gleiches Geschlecht, gleiche Bildung, gleicher sozialer Status usw) unterscheiden sich die Gruppen nicht. Das heißt: Der Migrationshintergrund ist nicht der Faktor der jemanden zu einem Kriminellen macht. Dies sind andere Fakten, die bei Migranten gehäuft auftreten und daher Migranten tatsächlich häufiger Straftaten begehen (aber nicht aus ihrer Migranteneigenschaft).

Abschließend noch einige gute SPON-Kommentare:

M. Michaelis heute, 06:52 Uhr
Weshalb sollen Befragungen aussagekräftiger als Kriminalitätsstatistiken sein ? Befragungen sind weitaus Manipulationsanfälliger.

Malshandir heute, 07:17 Uhr
Also die These, dass Auslaender haeufiger angezeigt werden, ist pure Mutmassung und eine Verhoehnung der Opfer. Die Zahlen sagen, dass Auslaender doppelt so haeufig Straftaten begehen und dreimal so haeufig Gewaltdelikte. Das sind die nackten Zahlen. Eine 20% hoehere Straverdaechtigenzahl bei Gewaltdelikten von Personen mit Migrationshintergrund als nicht relevant zu sehen,ist ein Verleugnen der Zahlen und das 2,3fache an Gewalt bei Auslaendern als Begruendung die Umstaende anzufuehren, ist schon krass. Egal ob jemand in Armut aufwaechst oder nicht, es ist kein Grund fuer Gewalt. Jeder soll die Zahlen lesen und sich sein eigenes Urteil bilden.

riemator heute, 07:23 Uhr
richtig ist und bleibt aber, dass migranten oder menschen mit migrationshintergrund überdurchschnittlich oft durch gewaltdelikte auffallen. das belegt die statistik zweifelsfrei. hier tun sich diejenigen mit islamischem hintergrund besonders hervor. siehe auch bericht der griechischen polizistin, die vor diesem hintergrund kürzlich aus ihrem dienstalltag geplaudert hat. dies wegdiskutieren zu wollen ist peinliche & gefährliche sozialromantik.

akmsu74 heute, 07:24 Uhr
Meine Lebenserfahrung in Berlin sieht anders aus – 100%ig konträr, um genauer zu sein. Diese „Studie“ hat nicht zufällig das ZDF gemacht, oder? Vielleicht in Zusammenarbeit mit dem ADAC

rabie heute, 07:24 Uhr
nun das stimmt nich, schaut euch die polizeiliche kriminalstatistik an meinet wegen länderspezifisch ( für jeden einsehbar). übrigens hatten das auch die medien aufgenommen wie zb focus. jeder 4. kriminelle is immigrant und wir haben etwas mehr als 20% immigranten gemessen an der gesamtbevölkerung. wenn es also beispielsweise 10000 straftaten im jahr gibt müssten gemessen an der bevölkerung 2000 straftaten von ausländern und 8000 von deutschen erfolgen nanun rechnen wir mal. jeder 4 kriminelle is migrant….also werden von den 10000 verbrechn im schnitt 2500 von migranten begangen…hoppla das is ja doch mehr als die 2000 ^^ ergo: migranten sind krimineller

ddg28 heute, 12:10 Uhr
Der Spiegel ist zu einem linken Schmierenblatt verkommen, was eigentlich nur Verachtung verdient. Lebe Spiegel-Redakteure, macht die Augen auf außerhalb Eures Wolkenkuckucksheims und verbreitet nicht irgendwelche Unwahrheiten. Im Netz ist bislang noch genügend Material zu finden was das Gegenteil beweist und belegt. Und Ihr relativiert alles schön, dass es ja viel harmloser ist als gedacht??? Wird Zeit, dass Ihr mangels Leserschaft, die hoffentlich ins Bodenlose sinken wird, Euren Laden endlich dicht macht könnt. Warum benennt Ihr Euch nicht gleich um in „bundesfinanzierte Pressestelle der Antifa“? Mehr als Euch meine Verachtung für diese und viele andere prostaatliche Berichte u.a. auch über Gaza, Ukraine etc. auszusprechen, bleibt einem nicht mehr übrig.

Wir fassen zusammen: Die meisten können zwar noch die Zahlen der Statistik lesen, verstehen tun sie diese aber nicht.

3 Gedanken zu „Empirie vs. SPON-Kommentare“

  1. Wenn sie die nicht verstehen, wissen sie auch nicht, wie man diese richtig liest. Überhaupt ist das eine Kompetenz, die eigentlich bereits in der Schule gelehrt werden sollte, wird man doch heutzutage jede zweite Woche mit einer Umfrage oder Studie bombardiert, die „Überraschendes“ herausfindet. Leider kommt man vor dem Studium selten in Kontakt mit kritischem Denken und dort wird das je nach Studiengang und Dozent auch mehr oder minder bekämpft.

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  2. Ich denke du hast das Problem sehr gut erfasst, die meisten Kommentatoren fehlt es glaube ich schlicht an Bildung/Intelligenz um mit solchen Zahlen umzugehen. Wie Statistiken Funktionieren lernt man höchstens im Abitur, aber auch nur in bestimmten Profilen.
    Wie soll jemand der einen Realschulabschluss hat und dann ne Lehre gemacht hat, und sich nicht für Statistik intressiert wissen, wie solche Statistiken zu stande kommen und wie diese Aussagen zu Interpretieren sind.
    Es reicht den meisten doch, das die Statistik irgendwie ihr Weltbild bestätigt, ist man mit den Oberflächlichen Aussagen zufrieden, hat man kein intresse sich damit tiefer zu befassen. Es reicht ja für den Stammtisch.
    Bei den Konservativen (Schnuller-Nazis) kann man auch immer einen ganz tollen effekt beobachten: Wenn es Statistiken gibt, die auch nur oberflächlich irgendwie die eigene Meinung bestätigen, fühlen Sie sich bestätigt und schreiben sie haben es ja schon immer gesagt, jetzt ist es Wissenschafftlich bewisen etc.
    Sobald aber eine Studie/Statistik ihre Meinung nicht bestätigt oder sogar wiederlegt, sind sie Plötzlich Wissenschafftsfeindlich, nach dem Schema,
    nur weil die Studiert haben, haben die noch lange nicht recht,
    die Studien sind doch eh alle Gefälscht,
    ist die Meinung eines Forschers mehr Wert, als die eines Facharbeiter,
    oder es wird von einer angeblichen Links-Grünen Idiologie gesprochen, die das Land verrät und von denen da oben gesteuert wird.

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  3. Nice one Ara.
    Selbst unter den überdurchschnittlich gebildeten (Uralt-)deutschen scheinen solche Statistiken direkt die Konsequenz zu haben, dass ein junger Ausländer offensichtlich dreimal wahrscheinlicher einen Raubüberfall begeht, als ein vergleichbarer deutscher.
    Meine Versuche einer Erklärung scheitern meistens schon daran dass der quantitative Unterschied zwischen gemeldeter Straftat und bengangener Sraftat für jene Leute nicht relevant ist, um sich ihre Meinung über „die kriminellen Assis“ zu bilden.

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