Ich weiß nicht, ob es in anderen Studiengängen auch so ist. Bei uns herrscht generell ein Zeitdruck, das heißt Zeit zum Nachdenken ist nicht wirklich gegeben. Man hat einmal zum Beginn der zweistündigen Klausur so 20 bis maximal 30 Minuten Zeit sich Gedanken zu machen wie man etwas lösen möchte und die restliche Zeit hat man mit der Niederschrift zu tun, die größten Teils automatisiert abläuft und nur noch selten und im geringen Umfang ein Abweichen der vorher erstellten Lösung abweicht. Es ist also nicht unüblich, dass man gar nicht fertig wird mit der Klausur. Dabei ist aber eine halbfertige Klausur schon fast durchgefallen. Daher dünkt man lieber in der Mitte aus und macht da Wischi-Waschi, damit man zumindest zu allem irgendwas geschrieben hat.
So dann kommt Strafrecht. In Strafrecht erhöht sich das zu schreibende Pensum einfach mal um gut 50% der Seiten. So schreibe ich üblicherweise im Zivilrecht oder öffentliches Recht so 13 Seiten (1/3 Korrekturrand) und in Strafrecht hab ich bisher 20 und 21 Seiten geschrieben. Das jeweils in rund zwei Stunden.
Dazu kommt dann ein Professor, der dafür bekannt ist, dass er extrem umfangreiche Klausuren stellt. Es ist somit tatsächlich möglich, dass man eine Klausur stellt, die in den zwei Stunden gelöst werden kann. Oder aber man stellt eine Klausur wie die hier: klick mich (Auch wenn ich denke ein Laie kann deren Umfang schwer abschätzen).
Alleine über den zweiten Tatkomplex im Cafe könnte man eine zweistündige Klausur schreiben. Mein AG-Leiter schrieb mir per Mail auf den Sachverhalt dann auch nur zurück („Den Komplex beim Arzt hätte man sich aber schon sparen können“).
Ich frag mich wirklich was so der pädagogische Sinn dahinter ist. Es ist nicht nur total praxisfern, sondern man hat kaum Zeit wirklich Verständnis und juristische Fähigkeiten anzuwenden. Es geht nur darum, dass man sich schnell entscheidet und dann hofft, dass man sich richtig entschieden hat. Auswendiggelerntes Wissen kotzt man so weit es geht raus und für ernsthaftes Nachdenken hat man gar keine Zeit. Vor allem handelt es sich hier um Fälle die wirklich nicht 0815 Wissen abfragen, sondern wirklich tiefes Verständnis der Materie abfragen. Auch sind da dann Fragen aufgeworfen, die man gut und gerne mal alleine auf 10 Seiten diskutieren könnte. Als Student bleibt einem aber kaum eine andere Wahl, als alles mit 1-2 Sätzen kurz abzuklären.
Und wie wird die Korrektur aussehen? Man wird haufenweise „etwas zu kurz“, „hier hätten sie mehr Diskutieren müssen“ und „vertretbar aber zu knapp“ am Rand rangeschrieben kriegen. Ist ja schön und gut, aber wenn man fucking zwei Stunden Zeit hat und sagen wir rund 1 1/2 Stunden reine Schreibzeit hat, dann kann man einfach nicht mehr als 21 Seiten schreiben.
Insgesamt pädagogisch sicher nicht sinnvoll einfach nur zu schauen wer schnell schreiben kann und irgendwie unter Zeitdruck das nötigste zusammengeschrieben bekommt. Eine Lösung mit allen Tatbeständen der Musterlösung halte ich sogar für unmöglich in den zwei Stunden. Selbst der Klausurersteller der die Lösung kennt würde Probleme bekommen das in zwei Stunden zu schaffen.