Lächerlicher Zeitdruck in Klausuren

Ich weiß nicht, ob es in anderen Studiengängen auch so ist. Bei uns herrscht generell ein Zeitdruck, das heißt Zeit zum Nachdenken ist nicht wirklich gegeben. Man hat einmal zum Beginn der zweistündigen Klausur so 20 bis maximal 30 Minuten Zeit sich Gedanken zu machen wie man etwas lösen möchte und die restliche Zeit hat man mit der Niederschrift zu tun, die größten Teils automatisiert abläuft und nur noch selten und im geringen Umfang ein Abweichen der vorher erstellten Lösung abweicht. Es ist also nicht unüblich, dass man gar nicht fertig wird mit der Klausur. Dabei ist aber eine halbfertige Klausur schon fast durchgefallen. Daher dünkt man lieber in der Mitte aus und macht da Wischi-Waschi, damit man zumindest zu allem irgendwas geschrieben hat.

So dann kommt Strafrecht. In Strafrecht erhöht sich das zu schreibende Pensum einfach mal um gut 50% der Seiten. So schreibe ich üblicherweise im Zivilrecht oder öffentliches Recht so 13 Seiten (1/3 Korrekturrand) und in Strafrecht hab ich bisher 20 und 21 Seiten geschrieben. Das jeweils in rund zwei Stunden.

Dazu kommt dann ein Professor, der dafür bekannt ist, dass er extrem umfangreiche Klausuren stellt. Es ist somit tatsächlich möglich, dass man eine Klausur stellt, die in den zwei Stunden gelöst werden kann. Oder aber man stellt eine Klausur wie die hier: klick mich (Auch wenn ich denke ein Laie kann deren Umfang schwer abschätzen).

Alleine über den zweiten Tatkomplex im Cafe könnte man eine zweistündige Klausur schreiben. Mein AG-Leiter schrieb mir per Mail auf den Sachverhalt dann auch nur zurück („Den Komplex beim Arzt hätte man sich aber schon sparen können“).

Ich frag mich wirklich was so der pädagogische Sinn dahinter ist. Es ist nicht nur total praxisfern, sondern man hat kaum Zeit wirklich Verständnis und juristische Fähigkeiten anzuwenden. Es geht nur darum, dass man sich schnell entscheidet und dann hofft, dass man sich richtig entschieden hat. Auswendiggelerntes Wissen kotzt man so weit es geht raus und für ernsthaftes Nachdenken hat man gar keine Zeit. Vor allem handelt es sich hier um Fälle die wirklich nicht 0815 Wissen abfragen, sondern wirklich tiefes Verständnis der Materie abfragen. Auch sind da dann Fragen aufgeworfen, die man gut und gerne mal alleine auf 10 Seiten diskutieren könnte. Als Student bleibt einem aber kaum eine andere Wahl, als alles mit 1-2 Sätzen kurz abzuklären.

Und wie wird die Korrektur aussehen? Man wird haufenweise „etwas zu kurz“, „hier hätten sie mehr Diskutieren müssen“ und „vertretbar aber zu knapp“ am Rand rangeschrieben kriegen. Ist ja schön und gut, aber wenn man fucking zwei Stunden Zeit hat und sagen wir rund 1 1/2 Stunden reine Schreibzeit hat, dann kann man einfach nicht mehr als 21 Seiten schreiben.

Insgesamt pädagogisch sicher nicht sinnvoll einfach nur zu schauen wer schnell schreiben kann und irgendwie unter Zeitdruck das nötigste zusammengeschrieben bekommt. Eine Lösung mit allen Tatbeständen der Musterlösung halte ich sogar für unmöglich in den zwei Stunden. Selbst der Klausurersteller der die Lösung kennt würde Probleme bekommen das in zwei Stunden zu schaffen.

Niemand wollte ACTA oder VDS

Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie lächerlich das ganze Mitläufertum bei ACTA war. Kaum einer hat sich die betreffenden Stellen angeschaut (Dabei handelt es sich um lediglich 1 1/2 Seiten), denn sonst hätte man gemerkt, dass das gegen was man ist, gar nichts mit ACTA zu tun hat. So sehr ich das Ziel dahinter auch gut heißen mag, ist es immer wahnsinnig lächerlich, wie Leute die ALLES was vom Staat kommt hinterfragen und sich an jeder Ecke manipuliert fühlen, einfach so nem Frosch im Wasserglas auf YouTube blind folgen. Aber das soll eigentlich gar nicht das Thema sein.

Die EU-Politiker haben nun also ACTA abgelehnt. Und zwar wie? Mit der gleichen Begründung wie die Protestler es getan haben. Auf einmal war keiner mehr Befürworter von ACTA und man greift wirklich teilweise 1:1 die Argumentation der Protestler auf. Sehr gerne hört man heute „ACTA sei zu schwammig“ und „schwammige Texte sind gefährlich“. Solche Sätze kommen nicht von irgendwem, sondern von jemanden der beruflich Gesetze verabschiedet. Als Jurist muss man sich da wirklich an den Kopf fassen… Natürlich muss es eine bestimmte Bestimmtheit geben, vor allem wenn es um ein Verbot geht. Jeder Mensch muss grundsätzlich wissen, was er darf und was er nicht darf.

Aber wir haben kein Case Law, sondern unsere Gesetze leben von Auslegung. Gerne mag man darüber streiten welches System nun Leistungsstärker ist. Am Case Law wird die Starrheit kritisiert und dem römisch-europäischen Rechtssystemen wird ihre Ungenauigkeit vorgeworfen. Mag so sein, das ändert aber nicht daran, dass wir nun einmal ein römisch-europäisches Rechtssystem haben. Recht und Gesetz bedürfen der Auslegung in Europa und die Einzelfallgerechtigkeit wird nicht im Gesetz erreicht, sondern im Gerichtssaal. Ein offener Gesetzestext hilft es Recht und Gerechtigkeit zu verbinden und ist nahezu der einzige Weg, damit man wirklich sagen kann „Das Gesetz ist für die Menschen da“. Und da stellen sich nun EU-Politiker hin und kritisieren einen Text, weil er ungenau ist und der Auslegung bedarf? Ganz davon abgesehen, dass die gleichen Politiker diesen Text verfasst haben, könnte man damit nahezu jede Norm im europäischen Recht angreifen. Für den Laien mag es vielleicht komisch Klingen, dass im deutschen Zivilrecht jeder „nach Treu und Glaube“ zu handeln hat, dieser Grundsatz erlaubt es aber den Gerichten grobe Ungerechtigkeiten zu lösen und das sollte ein Profi, wie die EU-Abgeordnete sind, eigentlich wissen.

Darüber hinaus zeigt es auch, dass die EU-Politiker anscheinend sich vorher ACTA weder angeschaut haben, geschweige denn sich damit intensiv beschäftigt. Die wollen mir tatsächlich weiß machen, dass sie erst nach den Protesten und nachdem mehrere osteuropäische Staaten und Deutschland sich weigerten zu unterschreiben, realisiert haben, wie schwammig der Text sei? Lächerlich… Da sind mir die einzelnen Stimmen lieber, die ganz offen sagen, dass die Bürger ACTA einfach nicht verstanden haben. Denn genau das ist der Fehler an ACTA gewesen, man hat den Bürgern nicht genug erklärt, dass die Auswirkungen viel geringer sind, als der Frosch im Wasserglas das einem glauben machen will.

Konsequent lächerlich machen sich die EU-Politiker nun auch bei der Vorratsdatenspeicherung. Auf einmal (Nach mehreren Jahren!) fällt denen doch tatsächlich ein, dass einige Staaten die VDS nutzen um leichte Kriminalität zu verfolgen. Zusätzlich soll die Speicherzeit „natürlich [SIC!] kürzer“ ausfallen. Es ist ein absolutes Armutszeugnis für die ganze EU-Riege, dass sie Sachen verabschiedet die sich wirklich nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Das mag auch daran liegen, dass man ungeliebte Politiker gerne einmal einen Posten auf EU-Ebene zuschanzt, damit er Weg ist und die Fresse hält. Er kriegt im relativ machtlosem EU-Parlament seine Bezüge und lässt sich gelegentlich von Guttenberg das Internet erklären und winkt dann die einzelnen Anträge ab, die eh schon im Rat beschlossen wurden.

Und vor diesem Hintergrund graust es mir, dass jemand wie Schäuble oder Gysi fordert, dass wir eine neue Verfassung brauchen, damit man sich mehr in die EU einbringen kann. Ganz davon abgesehen, dass ich ein weiteres Einbringen in die EU (unter Berücksichtigung des Demokratie-Prinzips) für unproblematisch halte mit dem jetzigen Grundgesetz, macht es mir schon Angst. Die Leute die weder ACTA noch die VDS anständig verstanden haben und später wie ein Fähnchen im Wind hängen, sollen noch mehr Macht gegenüber dem nationalen Parlament haben? Leuten denen nach Jahren einfällt, dass die VDS vielleicht doch nicht so geil ist?

Es ist ja auch nicht so, dass von den EU-Abgeordneten hohe juristische Leistungen erwartet werden (Wobei ACTA und VDS eh kein primär juristisches, sondern viel mehr ein politisches Thema ist). Es hätte einfach ausgereicht, dass man unserer Bundesregierung zugehört hätte. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat ja nicht nur ACTA als eine der wenigen tatsächlich Verstanden, sondern auch von Anfang an die Verfassungswidrigkeit der damaligen deutschen VDS erkannt. Zusätzlich hat sie mit dem Quick-Freeze-Konzept sogar einen vermutlich verfassungskonformen Weg aufgezeigt.

Wahrscheinlich wird die EU, die jetzt die VDS überarbeitet, am Ende zum gleichen Ergebnis kommen, das unsere Regierung seit dem Wechsel von Schwarz/Rot zu Schwarz/Gelb favorisiert. Hat ja nur einige Jahre gedauert… Und den Leuten wollen wir mehr Macht geben?

Antwort auf Jurastudium

Hi Ara,
Da du ja auf deiner Seite und in deinem Podcast häufiger über dein Rechtsstudium berichtest, erschien es mir logisch dich als jemanden der sich mit der Materie auskennt und sich auch nicht zu schade ist darüber zu berichten zu kontaktieren.
Zuerst zu mir:
Ich studiere derzeit Business Administration im zweiten Semester an der Fresenius in Hamburg (Insert BWL Joke here). Ich bin zwar mit dem Studium und den Studienbedinungen an sich zufrieden, jedoch merkte ich nach einem Modul Bürgerliches Recht im ersten Semester und zwei Modulen Handels- und Arbeitsrecht im jetzigen, dass mir die Arbeit mit dem Gesetz, die Denkweise und alles drumrum sehr viel Spaß macht. Zudem konnte ich die Prüfung zum Modul im ersten Semester mit relativ wenig Aufwand mit 1 bestehen, was den Gedankengang eventuell zu Wechseln nur weiter befeuerte. Ich habe mich bereits mit meinem Rechtsdozenten gestern ausgiebig unterhalten, der mir riet mich mit eventuellen Bekannten, die ein solches Studium eingeschlagen haben, in Verbindung zu setzen. Da ich in meinem persönlichen Freundeskreis aber (seltsamerweise) keinerlei Rechtsstudenten habe, wende ich mich an dich.
Kannst du mir vielleicht einen etwas genaueren Einblick in das Studium geben? Was zeichnet das Studium an der Uni HH aus? Welche Eigenschaften sollte man mitbringen? Würdest du wieder an der Uni HH anfangen Rechtswissenschaften zu studieren? Was würdest du noch als persönliche Note hinzufügen?
Sollte ich wirklich wechseln würde ich ein Studium an der Bucerius favorisieren, jedoch bin ich realistisch genug zu sagen, dass die Chancen dort angenommen zu werden nicht besonders hoch sind.

Vielen Dank im Vorraus und beste Grüße,

Tristan

Hi Tristan,

Das wichtigste ist wohl erst einmal, dass die Anforderungen von juristischen Nebenfächern ein Witz sind im Vergleich mit dem was man von Jurastudenten erwartet. Das hat zweierlei Grüne. Erstens haben die Juristen eine Notenskala von 1-18 Punkten, wobei mir erst heute ein Dozent bei der Rückgabe der Klausur sagte „Meine Skala hört eh bei 15 Punkten auf“. Unsere Notenschnitte sehen dann gerne auch mal so aus:

Das ist übrigens keine Ausnahme, sondern eher die Regel. 25-30% Durchfallquote ist normal pro Klausur und ein Notenschnitt zwischen 4,0 und 5,0 ist auch das was normalerweise üblich ist. Mit 4 Punkten hat man bestanden und das ist eine Arbeit die man in der Praxis verwenden könnte. Alles was in der Praxis nicht mehr verwendbar wäre, ist in der Regel durchgefallen. Würde man Nebenfächlern (vor allem Bachelor-Studenten) unsere Benotungsskala zumuten, würde keiner mehr rechtliche Nebenfächer belegen, denn dort zählt ja schon 2,x als Beleidigung.

Der zweite Grund, der wahrscheinlich der wichtigere ist: Das Recht ist eine große Einheit. All unsere Fächer haben einen Bezug zueinander. Das Strafrecht muss die Grundrechte achten und bedient sich beim Eigentum den Normen des Zivilrechts. Das Zivilrecht spricht Schadensersatz bei Straftaten zu und unterliegt vor allem im Verbraucherschutz dem EU-Recht und das öffentliche Recht regel sich bis ins Zivilrecht (zum Beispiel Amtshaftung) und Strafrecht (Was ja eigentlich komplett zum öffentlichen Recht gehört). Ein Jurastudent beschäftigt sich somit ausschließlich mit dem Recht und dies führt automatisch zu einem massiven Wissens- und Anwendungsvorsprung gegenüber Nebenfächlern, die lediglich einen Bruchteil ihres Studiums dafür aufwenden können. Auch sonst gibt es kaum Fächer die so massiv aufeinander aufbauen. Daher braucht das Recht einfach eine gewisse Zeit, um dies zu begreifen.

Daher ist es generell schon mal schwer von Recht als Nebenfach auf ein Jurastudium zu schließen. Daher muss die 1 „mit wenig Aufwand“ auch ein wenig in Relation gesetzt werden. Natürlich ist das besser als eine 4 mit „viel Aufwand“. Aber schon hier sehe ich das nächste Problem: Warum „mit wenig Aufwand“? Das ist auch eine Taktik mit der du im Jurastudium nicht weit kommst, dem muss man sich klar sein.

Jura ist nichts „schweres“. Man stößt selten bis nie an gedankliche Grenzen und es gibt kaum Stoff wo man sagt „Das versteh ich nicht“. Jura ist viel Systematik, grundsätzliche Logik (auf einem sehr einfachem Niveau) und Wissen. Je mehr Zeit man investiert hat und je mehr man über eine Sache gelesen und diskutiert hat, desto besser ist man als Jurist. Auswendiglernen ist übrigens relativ unwichtig im Studium. Das Gerücht des Auswendiglernen kommt daher, dass der Rechtslaie denkt, dass es für jedes Problem eine Lösung im Gesetz gibt. Für Sachen die im Gesetz stehen, braucht man aber keine Juristen, das kann jeder Laie. Der Jurist kommt dann zum Einsatz, wenn es darum geht einen Sachverhalt der nicht ausdrücklich geregelt ist zu lösen.

Daher: Glücklich im Jurastudium wird nur jemand der die Beschäftigung mit dem Recht als Hobby sieht. Der sich für die Frage begeistern kann, ob ein Supermarkthändler mit seinem Preisschild und dem Auslegen der Ware schon ein Angebot für einen Kaufvertrag abgeben möchte oder nicht.

Ebenfalls muss man sich im Klaren sein, dass die Rechtswissenschaft sehr traditionell und konservativ ist. Es gibt strenge Regeln und Vorgaben die einzuhalten sind. Andererseits erlaubt wohl kaum ein Studium so viel Raum für freie Gedanken und das Vertreten einer eigenen Meinung. Trotzdem muss man sich damit abfinden, dass die Werkzeuge des juristischen Arbeitens vorgegeben sind und man sich diesem Zwang unterwerfen muss. In der Beziehung wird bei den Jurist auch in der Regel mehr verlangt als von Studenten anderer Fachrichtungen. Es wird vom ersten Semester ein wissenschaftliches Niveau erwartet und das ist für die meisten Studenten wohl ein Problem. Bei vielen stellt es sich erst nach 2-3 Semestern ein. Das ist eine Sache die man wissen muss: Vom Studenten im 1. Semester wird grundsätzlich das gleiche verlangt wie vom Professor. Eine Hausarbeit im 2. Semester sollte sich für eine Note im oberen Bereich nicht davon unterscheiden, wie es ein Professor es in der Realität lösen würde. Oder um es noch deutlicher zu machen: Du hast am Ende des ersten Semesters BGB AT gehört. Dort erwartet man von dir, dass du über BGB AT auf einem ähnlichem Niveau bist, wie jeder andere Jurist auch (egal wieviele Jahrzehnte er sich schon damit beschäfigt). Man kann zwar manchesmal auf etwas Welpenschutz hoffen, jedoch ist das Anforderungsniveau im 1. Semester nicht höher als im 8. Semester (Es ist aber natürlich mehr Stoff, da es immer aufeinander aufbaut). Das ist wohl der größte Unterschied, vor allem zu den Geisteswissenschaftlern. Daher braucht man ein hohes Frustlevel: Man wird häufig schlechte Noten kriegen und das obwohl man viel gelernt hat und sein Bestes gegeben hat.

Großer Vorteil: Es ist noch ein echtes Studium (Zumindest solange man nicht an der BLS ist). Du hast maximale Freiheit, es gibt keine Anwesenheitspflichten und es interessiert keinen wie du dir den Stoff erarbeitest, so lange du ihn am Ende kannst. Es gibt zu den einzelnen Rechtsgebieten meist so 10-15 Lehrbüchern in denen steht im großen und ganzen das selbe drin und du kannst dir eins aussuchen was dir gefällt. Das Studium ist zum größten Teil eine Bücherwissenschaft. Vorlesungen und Kleingruppen sind optionale Angebote. Man kann theoretische das komplette Studium als Fernstudium durchziehen. Ich selbst bin lediglich so 8-10 Stunden pro Woche in Veranstaltungen der Uni. Würde dann noch so 20-25 Stunden restliche Lernzeit hinzuzählen, so dass ich roundabout auf ne 30 Stundenwoche komme. Was also immer noch recht angenehm ist.

Aus diesem Grund ist auch die Uni relativ egal. Du bist auf das Angebot der Uni nicht angewiesen. Du brauchst Bücher, da haste an der UHH ne ganz anständige Rechtsbibliothek, und das wars eigentlich. Das Jurastudium ist schon ein Einzelkämpfer Studiengang. Wenn du gut bist, dann liegt es an deinem Fleiß und wenn du schlecht bist dann auch. Die Professoren in den Vorlesungen und die Dozenten in der Kleingruppe können eh nur einen Ausschnitt aus dem Rechtsgebiet präsentieren, den Rest muss man sich eh selbst beibringen. Daher ist es egal wo man Jura studiert. Eine Ausnahme ist die BLS. Die ist eher aufgebaut wie ein Bachelorstudiengang oder gar wie eine FH. Das heißt: Hohe Anwesenheitspflicht, hohe Kontrolldichte, wenig Freiheit. Als Gegenleistung hast du an der BLS die bessere Betreuung und die besseren Didaktiker. Dazu hat die BLS gute Beziehung in die Wirtschaft und es macht sich im Lebenslauf gut. Welchen Job du am Ende aber bekommst, hängt alleine von der Examensnote ab. Ob du in Hamburg, Bayern oder der BLS studiert hast, interessiert keinen. Wenn jemand von der Uni Frankfurt Oder 10 Punkte im Examen hat und du von der BLS 9,5 wird man in der Regel dem mit 10 Punkten den Vorrang gewähren. Die 40.000 Euro Studiengebühren kann man daher meiner Meinung nach besser investieren.

Daher ist das Studium nur zu empfehlen wenn: 1. dich grundsätzlich die Beschäftigung mit dem Recht interessiert 2. du bereit bist kontinuierlich und fleißig den Stoff zu erarbeiten („Ich fange 2-3 Wochen vor der Klausur mit lernen an“ hat in Jura wenig Erfolg… Das was andere Studenten in der Klausurvorbereitung an Arbeitsaufwand betreiben, sollte beim Juristen das normale Pensum im Studium sein + Erhöhung kurz vor der Klausur. Genug Freizeit bleibt aber trotzdem) 3. du hast eine hohe Frusttoleranz.

So ich hoffe ich hab dir soweit geholfen, ist doch länger geworden als es eigentlich sollte, aber es gibt einfach ein paar Warnungen die man aussprechen muss. Wir haben viele Wechsler von anderen Studiengängen bei uns, die vorher eine völlig falsche Vorstellung vom Leistungsanspruch hatten (vor allem Lehrämtler). Jura ist sicherlich nicht das schwerste was man studieren kann, aber definitiv ein Fach wo dir von Fleiß und Arbeitsqualität das Maximum abverlangt wird.

 

Gerichtsbekannt

Der Richter ist allwissend und kann prinzipiell jederzeit auf sein eigenes Wissen zurückgreifen. Dann heißt es im Juristendeutsch so schön, dass der Umstand „Gerichtsbekannt“ sei. Dabei muss ein Richter häufig selbst die Hose runterlassen… und das im wahrsten Sinne des Wortes.

In einem Fall wollte der Kläger von einem Reiseveranstalter Schadensersatz haben, da in seinem Doppelbettzimmer kein Doppelbett war, sondern lediglich zwei Einzelbetten. Dazu führt das Gericht aus:

Der Kläger hat nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgeklärt werden, denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind. Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten

AG Mönchengladbach · Urteil vom 25. April 1991 · Az. 5a C 106/91

Interessant ist auch, was am AG Hamburg so alles gerichtsbekannt ist.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf die – im wesentlichen unstreitigen – Belästigungen stützt, die von den Besuchern des offensichtlich als Treffpunkt der Sado-Maso-Szene etablierten „Café“ an der Ecke ausgehen (insbesondere: Begegnungen mit aufreizend oder provokativ bekleideten Cafébesuchern der Sado-Maso-Szene), liegt hierin kein zur Minderung berechtigender Mangel. Die Annahme eines zur Minderung berechtigenden Mangels würde nämlich voraussetzen, dass die Nutzung der Mietsache selbst – also der Wohnung und der dazugehörigen Gemeinschaftsflächen wie z.B. Treppenhaus – beeinträchtigt wären. Dies ist aber schon nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Das „Café“ ist zwar im selben Haus wie die Wohnung der Beklagten belegen.

Das Café verfügt aber, was gerichtsbekannt ist, über einen separaten Eingang am G.markt, der in gut 10 m Entfernung vom Hauseingang liegt, der zu den Wohnungen des Hauses führt.

AG Hamburg, Urteil vom 23.03.2006, AZ. 49 C 474/05

Und weils so schön ist, gibt es auch noch ein Urteil aus München, welches sich mit Wundern beschäftigt,.

Das Gericht war in seiner bisherigen Praxis schon mit ca. 2000 Straßenverkehrsunfällen beschäftigt und hat es noch niemals erlebt, daß jemals einer der beteiligten Fahrer schuld gewesen wäre. Es war vielmehr immer so, daß jeweils natürlich der andere schuld gewesen ist. Bekanntlich sind Autofahrer ein Menschenschlag, dem Fehler grundsätzlich nie passieren, und wenn tatsächlich einmal ein Fehler passiert, dann war man es natürlich nicht selbst, sondern es war grundsätzlich der andere.

Das Gericht hat auch noch nie erlebt, daß jemals ein Fahrer, der als Zeuge oder Partei vernommen wurde, eigenes Fehlverhalten eingeräumt oder zugestanden hätte. Wenn dies einmal tatsächlich passieren sollte, dann müßte man schlicht und einfach von einem Wunder sprechen. Wunder kommen aber in der Regel nur in Lourdes vor, wenn beispielsweise ein Blinder wieder sehen kann oder ein Lahmer wieder gehen kann, oder aber in Fatima, wenn sich während der Papstmesse eine weiße Taube auf den Kopf des Papstes setzt, und sogar in den dortigen Gegenden sind Wunder ziemlich selten, in deutschen Gerichtssälen passieren sie so gut wie nie, am allerwenigsten in den Sitzungssälen des AG München. Jedenfalls ist in Justiz- und Anwaltskreisen nichts davon bekannt, daß in der Pacellistr. 2 in München schon jemals ein Wunder geschehen wäre. Möglicherweise liegt das daran, daß der liebe Gott, wenn er sich zum Wirken eines Wunders entschließt, gleich Nägel mit Köpfen macht und sich nicht mit einem banalen Verkehrsunfall beschäftigt. Vielleicht liegt aber die Tatsache, daß trotz der Unfehlbarkeit aller Autofahrer gleichwohl so viele Verkehrsunfälle passieren, schlicht und einfach daran, daß unsere Gesetze so schlecht sind. Dies hinwiederum wäre allerdings kein Wunder.

AG München, Urteil vom 11.11.1986, AZ. 28 C 3374/86

Der §7 der StVO

Eigentlich wollte ich ja anfangen herumzuweinen, warum es Leute auf einer komplett von LKWs freien Autobahn nicht schaffen im Sinne des Verkehrsflusses, meiner Nerven und der StVO bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h einfach mal den rechten, statt den mittleren Fahrstreifen zu nutzen, auch wenn Angela Merkel immer wieder versucht die Mitte Deutschlands zu beschwören muss das ja nicht auch auf Autobahnen gelten. Aber weil ich ja lieber erst nochmal nachschlagen wollte, ob das mit dem Rechtsfahrgebot auch so stimmt, wie ich das in Erinnerung hatte (sonst ständ ich ja ziemlich blöd da), habe ich mal nachgeguckt und in Absatz 2 des §2 der StVO steht:

(2) Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.

aber in Absatz 3c des §7 der StVO steht:

Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei oder mehr Fahrstreifen mit Zeichen 340 gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge abweichend von dem Gebot, möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt.

Quelle

Jetzt ist natürlich die Frage, ob alle 5 Kilometer ein LKW das Kriterium hin und wieder erfüllt, aber insgesamt muss ich wohl sagen, dass ich in meinem ganzen bisherigen Autofahrerleben diesen nur mittelschnellen Menschen auf der Mittelspur ein mittelschweres Unrecht getan habe. Es tut mir auch ein bisschen (also so mittelmäßig viel) Leid. Glücklicherweise habe ich direkt danach etwas anderes gefunden, worüber ich mich aufregen konnte:

 
Peer Steinbrück schreibt eine Kolumne auf zeit.de
 

Was mich an dem Artikel (den man fürs bessere Verständnis jetzt lesen sollte, bevor man den Rest des Textes hier liest) aufregt, ist auch viel weniger der Inhalt, als der Autor, der diesen Inhalt verbreitet. Der Inhalt ist gut. Ich würde Steinbrücks Analyse fast Wort für Wort zustimmen, womit ich ein Problem habe ist, dass ER diese Analyse verfasst hat.

Wenn Steinbrück von zu hohen Managergehältern redet, davon wie die Vermögensverteilung in Deutschland auseinander klafft und dass die Banken nicht reguliert sind, dann könnte man fast meinen er hätte nichts damit zu tun gehabt. Aber wer war denn zusammen mit Schröder auch bei der Agenda 2010 dabei? Wer hat denn die Senkung des Spitzensteuersatzes und die Einführung von Hartz IV befürwortet, die dann unter Rot-Grün durchgeführt wurde? Und wer hat denn später als Finanzminister, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als alle sich einig waren, dass eine Regulierung der Banken wohl unumgänglich sei, keine beschlossen oder hingekriegt? Das war er, Peer Steinbrück.

Die Agenda-Befürworter um Schröder haben damals in den Neunzigern den innerparteilichen Kampf gegen den linken Flügel in der SPD um Lafontaine gewonnen und durften an die Regierung. Die Reste dieser Befürworter führen heute die SPD als Troika Gabriel, Steinmeier und Steinbrück an. Das ist traurig genug, aber ein Peer Steinbrück sollte solche Analysen und die politischen Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, jüngeren Leuten in der SPD überlassen, die nicht von der Agenda 2010 belastet sind und die nicht, wie er, noch Jahre zuvor das komplette Gegenteil von dem behauptet und getan haben, was sie nun vorschlagen.

Damit würde er der Sache mehr helfen, als wenn er selbst für irgendein Amt kandidiert. Dann könnte es noch einmal eine SPD mit einem glaubwürdigen sozialdemokratischen Wirtschaftskonzept geben. Mit Gabriel, Steinmeier und Steinbrück als Troika ist da aber nichts zu holen.

 

In other zeit.de-news:

Die Piraten bezeichnen ihre Ortsvereine und Arbeitsgruppen wie militärische Kampfverbände, Crews und Squads – Bezeichnungen aus dem Computerrollenspiel World of Warcraft.

Quelle

Good to know: Die Kettengewährleistung

Ich nehme meinen Bildungsauftrag ja hier auf dem Blog regelmäßig ernst. Daher will ich euch auch heute etwas schlauer machen und zwar auf einem Gebiet, welches, vor allem im Internet, jeden Interessiert und doch die ein oder andere Überraschung bereithält.

Heute sprechen wir über die sogenannte Kettengewährleistung.

Kurz vorab der oft übersehende Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie: Die Gewährleistung besteht bei einem Kaufvertrag zwischen den Vertragspartnern (Also Verkäufer und Käufer -> In der Regel Händler und Kunde. Aber NICHT zwischen Käufer und Hersteller, solange der Hersteller nicht gleichzeitig auch Verkäufer ist) und beträgt grundsätzlich 2 Jahre. Bei einem Verbrauchsgüterkauf (Verkäufer ist Unternehmer und Käufer ist Verbraucher) können diese zwei Jahre auch nicht zu Lasten des Verbrauchers abgeändert werden. Zusätzlich genießt der Verbraucher eine Beweislastumkehr innerhalb der ersten sechs Monate (In den ersten sechs Monaten muss daher der Verkäufer beweisen, dass kein Sachmangel vorlag. Nach den sechs Monaten, muss der Kunde dies beweisen). Auch greift die Gewährleistung nur, wenn der Mangel bereits bei Gefahrenübergang (In der Regel der Zeitpunkt in dem die Ware übergeben wird) vorlag.

Die Garantie ist eine freiwillige Eigenschaftszusicherung. Die Garantie wird in der Regel vom Hersteller gegeben, kann theoretisch aber auch vom Händler ausgesprochen werden. Eine Garantie liegt zum Beispiel vor, wenn ein Hersteller eine ganz bestimmte Eigenschaft zusichert und dafür eine Garantie übernimmt. Die Garantie ist freiwillig und es können frei die Bedingungen festgelegt werden (zum Beispiel nur eine einjährige Garantie oder eine Garantie erst nach Registrierung usw). Die Garantie besteht neben dem Gewährleistungsrecht, das heißt der Kunde hat gegebenenfalls das Wahlrecht, ob er Gewährleistung oder Garantie in Anspruch nimmt.

So nun aber zum eigentlichen Thema Kettengewährleistung:

Wer sich mit der Gewährleistung schon einmal auseinandergesetzt hat, der wird sich vielleicht genau diese Frage gestellt habe, die die Kettengewährleistung betrifft: Wenn aufgrund einer mangelhafte Sache, innerhalb der Gewährleistungsfrist, Nacherfüllt wird, beginnt dann die Gewährleistungsfrist vom neuem?

Beispiel 1: Käufer K kauft von Verkäufer V einen PC. Nach 12 Monaten stellt er fest, dass der RAM aufgrund eines Produktionsfehlers defekt ist. K verlangt Nachbesserung von V. V baut neuen RAM ein. Ein Ramriegel geht nun nach weiteren 13 Monaten, ebenfalls aufgrund eines Produktionsfehlers, erneut kaputt. Zusätzlich geht die Festplatte kaputt, die auch einen Produktionsfehler aufwies. Es sind 25 Monate seit dem Kaufvertrag vergangen, hat K noch Anspruch auf Nachbesserung?

Beispiel 2: Käufer K kauft von Verkäufer V einen PC. Nach 12 Monaten verursacht ein Produktionsfehler im Netzteil einen Kurzschluss und grillt den kompletten PC. K verlangt Nachlieferung von V. V liefert einen neuen baugleichen PC. Nach 13 Monaten geht die Festplatte kaputt. Es sind 25 Monate seit dem Kaufvertrag vergangen, hat K noch Anspruch auf Nachbesserung?

Spontan mag man hier bei allen drei Mängel sagen: „natürlich nicht! Die 24 Monate sind abgelaufen“.

So einfach machen es sich auch viele Händler, dabei ist das Feld etwas umstritten. Um es vorweg zu nehmen: Streng nach dem Gesetz besteht teilweise noch ein Gewährleistungsrecht. Dies sieht nicht nur ein großer Teil der Wissenschaft so, sondern wohl auch der BGH. Das Problem ist: Auf diesem Feld gibt es fast gar keine Rechtsprechung. Einmal traut sich kaum ein Kunde in so einer Situation sich auf die Gewährleistung zu berufen und zweitens wird sich in der Regel bei solchen Fällen vor Gericht verglichen und der Händler gibt nach.

Rein rechtlich sieht es nämlich so aus: Die 2 Jahre basieren auf der Verjährung des Anspruches auf Nachbesserung. Gemäß § 212 I Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung jedoch von neuem, wenn der Schuldner (in unserem Fall der Verkäufer) den Anspruch anerkennt. Das heißt wenn der Verkäufer sagt: „Ja hier liegt ein Gewährleistungsfall vor, du hast einen Anspruch auf die Übereignung einer mangelfreien Sache“, dann beginnt die Frist von 2 Jahren noch einmal von vorne. Eine Ausnahme soll nur zählen, wenn der Händler lediglich auf Kulanz eine Nacherfüllung vornimmt. Diese Anerkenntnis muss nicht wortwörtlich oder ausdrücklich abgegeben werden. Viel mehr kann dies auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen. Zum Beispiel wenn ein Händler anstandslos den Fehler beseitigt.

Unterschieden muss hier dann noch zwischen Nachbesserung und Nachlieferung werden. Grundsätzlich hat der Käufer nämlich das Recht zwischen beiden Arten der Nacherfüllungen zu wählen. Das heißt wenn ihr eine mangelhafte Sache erhaltet, könnt ihr entweder sagen, dass der Verkäufer sie reparieren oder eine neue Sache liefern soll (Ausnahme ist hier wenn eines unmöglich ist oder der Aufwand unverhältnismäßig wäre. Bei einem defekten Schlüssel eines Neuwagens kann somit nur Nachbesserung verlangt werden usw).

Bei der Nachbesserung (Beispiel 1) beginnt die Verjährung nur für konkret dieses Problem erneut. Das bedeutet, dass in dem Beispiel K tatsächlich noch einmal eine Beseitigung des Mangels am RAM verlangen darf. Der Anspruch auf Nacherfüllung bei der Festplatte ist dagegen verjährt. Die Festplatte stand nicht im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Mangel und somit hat die Verjährung nicht erneut begonnen.

Bei der Nachlieferung (Beispiel 2) beginnt die Verjährung für das gesamte Produkt und für alle Mängel von neuem. Dies geschieht, da der Käufer eine komplett neue Sache erhält, welches noch ganz andere Probleme haben kann, als die ursprüngliche Sache. Aus diesem Grund kann er auch eine Mangelbeseitigung bei der defekten Festplatte verlangen. Dafür ist es auch total unproblematisch, dass ursprünglich das Netzteil einen Fehler hatte, denn vielleicht hätte die ursprüngliche Festplatte den Defekt gar nicht gehabt.

Somit halten wir fest: Es gibt tatsächlich eine Kettengewährleistung, auch wenn sie vielen Händlern und Kunden wohl unbekannt ist. Auch wenn es fast keine Urteile zu diesen Fällen gibt, scheint der Fall recht klar zu sein. Der BGH hat signalisiert, dass er dieser Ansicht folgt und mit dem Palandt und dem Münchener Kommentar, sind auch die praxisrelevantesten Kommentare auf der Seite der Kettengewährleistung. Ob es dann wirklich etwas in der Praxis bringt ist natürlich fraglich, denn meist ist der Streitwert nicht so hoch, dass man das Prozessrisiko eingehen mag. Zumindest könnt ihr aber nun im nächsten Forenthread klugscheißern! 🙂

Preview zu Risen 2 bei der Gamestar (Schleich-)Werbung?

Es wird ja gerne unterstellt, dass das ein oder andere Preview von den Publishern gekauft wurde. Auch ich stehe, zumindest laut großen Teilen der Guild Wars 2-Community, auf der Gehaltsliste von Blizzard.

Einen ganz dreisten Fall findet man jedoch nun im Preview zu Risen 2 auf Gamestar.de. Der Artikel ist über zwei Seiten wie ein ganz normales Preview gelayoutet und leitet wie folgt ein:

Piranha Bytes siedelt Risen 2: Dark Waters in einer Piratenwelt an, Südsee-Flair inklusive. Das klingt nach einem ungewöhnlichen Szenario für ein Fantasy-Rollenspiel, fußt aber auf einer langen Tradition.

und nach einem „Spielbericht“, was man in den ersten Stunden von Risen 2 so erwarten darf, folgt dann folgendes Fazit

Dank der alten Bekannten von Carlos über Patty bis Harlok wahrt Risen 2: Dark Waters also stets den Anschluss an den Vorgänger. Das Piraten-Szenario wiederum gehört fest zur Piranha-Bytes-Tradition, nun bauen es die Entwickler eben aus – zu einem wahrhaft epischen Abenteuer.

Dazu gesellt sich dann sogar noch ein Gameplay-Video zu den ersten Minuten.

Erst wenn man genauer hinschaut erkennt man, dass es sich um reine Werbung handelt. Der Text hat keinen Autor und in der Titelleiste versteckt sich tatsächlich das Wort „Promotion“. Dabei überstrahlt der Fettgedruckte Titel des Artikel jedoch die in Standarddruck und deutlich kleineren Schriftgröße des Wortes „Promotion“. Auch findet sich im Header-Titel, also das was der Browser in seiner Statusleiste anzeigt, das Wort Promotion jedoch auch hier versteckt in der Mitte des Titels. So lautet der Titel nämlich „Specials: Promotion: Risen 2…“. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Zusätzlich befindet sich die Werbung in der Kategorie „Artikel“ (erkennbar durch die graue Hervorhebung oben in der Navigationsleiste), klickt man nun auf diese hervorgehobene Schaltfläche erscheint eine Übersicht die wie folgt überschrieben ist: „Vorschau/Previews“. In dieser Kategorie befinden sich ausschließlich redaktionelle Texte, der hier erwähnte Werbebeitrag ist hier nicht verlinkt, obwohl er in dieser Kategorie ist.

Dass es nicht die feine englische Art ist, mag wohl offensichtlich sein, jedoch auch rechtlich könnte man den Bogen hier überspannt haben. In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen deutlich verschärft. Waren die Gerichte früher noch recht großzügig bei der Kennzeichnungen, muss der Werbecharakter heute für den Leser deutlich erkennbar sein. Der BGH (Urt. v. 1. Juli 2010, I ZR 161/09, Tz. 22) stellt dazu grundsätzlich erst einmal fest:

Erkennt der Leser die Zugehörigkeit eines redaktionell erscheinenden Textes zu einer Werbeanzeige, so erliegt er keinen Fehlvorstellungen über die Neutralität der dort vorhandenen Aussagen.

Als erstes kann man drüber streiten, ob das Wort „Promotion“ tatsächlich hinreichend deutlich macht, dass es sich um Werbung handelt.

Das VG Berlin (Beschl. v. 26.5.2008, VG 27 A 37.08) sieht es bei Dauerwerbesendungen anders und lässt erkennen, dass es das auch in Printmedien für als zu zweideutig hält.

Die Kennzeichnung als „Quelle-Promotion“ stellt keine Kennzeichnung als Dauerwerbesendung im Sinne dieser Vorschrift dar. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 RStV, da eine Dauerwerbesendung nicht als Promotion oder Ähnliches, sondern als solche, nämlich als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen ist.

Dem schließt sich das OLG Düsseldorf (Urt. v. 7.9.2010, I-20 U 124/09) überzeugend an:

Die Überschrift „Promotion“ ist nicht eindeutig im Sinne eines Hinweises auf bezahlte Fremdwerbung, denn selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Durchschnittsleser diesen Hinweis richtig als „Förderung“ versteht und zwar als Absatzförderung, lässt dies nicht erkennen, dass für diese „Promotion“ Geld bezahlt wurde. Auch die Redaktion einer Zeitschrift kann sich nämlich entschließen, ein bestimmtes Produkt zu fördern bzw. zu „promoten“, so dass der entgeltliche Charakter, der Werbecharakter, selbst bei richtigem Verständnis des Begriffs „Promotion“ nicht eindeutig klar wird.

Zusätzlich ist natürlich auch noch anzubringen, dass die „Promotion“ natürlich auch in einer Form einer „Specialwoche“ stattfinden kann. So bereits mehrfach auf GameStar erschienen, dass über einen längeren Zeitraum vor dem Release eines Spiels Themenwochen abgehalten wurden und dort mit Hilfe von Publishern Gewinnspiele und ähnliches durchgeführt wurden, um das Spiel zu bewerben. Daher macht die Kennzeichnung nicht deutlich, dass der Text vollständig aus der Hand des Publishers stammt. Schon aus diesem Grund ist das Wort Promotion, vor allem in diesem Zusammenhang, mehr als ungenügend.

Zum Thema Erkennbarkeit und Platziert führt das OLG München (Urt. v. 17.9.2009, 29 U 2945/09, II.2.a.bb) aus:

Ist der Werbetext als redaktioneller Beitrag aufgemacht, sind an die Kennzeichnung als Werbung hohe Anforderungen zu stellen; der Hinweis muss nach Schriftart, Schriftgröße, Platzierung und Begleitumständen ausreichend deutlich sein, um eine Irreführung zu vermeiden.

Auch das OLG Frankfurt (Beschl. v. 6,10.2006, 6 U 109/06) sieht es ähnlich:

Wird auf einer Zeitungsseite neben einer als solche erkennbaren Werbeanzeige eine redaktionell aufgemachte Anzeige abgedruckt, so reicht es nicht aus, lediglich die ganze Seite mit dem Begriff  „Anzeige“ oder „Anzeigen“ zu kennzeichnen, um deutlich zu machen, dass es sich bei dem redaktionell gestalteten Teil um eine bezahlte Anzeige handelt.

All in all ist es somit nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich sehr fragwürdig, ob das kleine Wort „Promotion“ über der Überschrift ausreichend ist, um den Leser hinreichend darüber aufzuklären. Dies erkennt man auch an den Kommentaren. Erst der 25. Kommentar stellt die Frage ob es sich um Werbung handelt oder um ein echtes Previews. Und Hand aufs Herz: Auch ich habe es im ersten Moment für redaktionellen Inhalt gehalten.

 

Puh, nomma Glück gehabt!

Ich veröffentliche mal ohne Genehmigung interne und höchstpersönliche Chatlogs von Yrgav und mir!

[29.03.2012 20:11:51] Yrgav: meine Geschichte des Tages ist
[29.03.2012 20:12:46] Yrgav: das sie eben grade im radio nochmal erklärt haben, was die unschuldsvermutung eigentlich ist, als nen Haufen Typen vor ne Polizeiwache gerannt sind und gefordert haben nen Typen zu lynchen, der ein Kind umgebracht haben soll und deswegen in U-Haft ist.
[29.03.2012 20:14:05] Ara: es gibt zuviele dumme menschen
[29.03.2012 20:14:13] Yrgav: jop
[29.03.2012 20:14:23] Yrgav: ich würde
[29.03.2012 20:14:33] Yrgav: auch gerne mal mit so jemandem diskutieren
[29.03.2012 20:15:15] Ara: die leute können sich nicht vorstellen
[29.03.2012 20:15:20] Ara: dass jemand unschuldiges verdächtigt wird
[29.03.2012 20:15:35] Yrgav: ich glaube
[29.03.2012 20:15:47] Yrgav: die leute können sich das schon vorstellen
[29.03.2012 20:16:04] Yrgav: aber verlieren sämtliche hinrnregionen, die überhaupt bei ihnen aktiviert sind, wenn jemand „Kinder“ sagt

16 Stunden später:

Aufgrund neuer Ermittlungsergebnisse steht fest, dass er als Täter auszuschließen ist. Die Staatsanwaltschaft Aurich hat aus diesem Grund die Aufhebung des Haftbefehls beim Amtsgericht in Emden beantragt. Die Richterin am Amtsgericht hat den Haftbefehl aufgehoben.
Quelle