Nur das Urheberrecht anderer ist doof

So oder so ähnlich kann man das aktuelle „Skandälchen“ um die Piraten bezeichnen. Es zeigt doch ganz wunderbar, dass diejenigen, die radikal für die Abschaffung jeglichen Urheberrechts sind, lediglich das Urheberrecht der anderen doof finden. Das eigene Urheberrecht ist dagegen doch ganz geil und ein Menschenrecht. So könnte man es zusammenfassen, was momentan um das Piraten-Vorstandsmitglied Julia Schramm geschiet.

Sie hat ein Buch geschrieben. Hat dies aber nicht im Eigenverlag verbreitet (was heute ja problemlos möglich wäre), sondern hat lieber 100.000 Euro Vorschuss von einem Verlag genommen. Obwohl Schramm vor kurzem „geistiges Eigentum“ noch als „ekelhaft“ bezeichnet hat. Nun ist passiert was passieren musste, das Buch ist als PDF im Netz aufgetaucht. Und was passiert? Der Verlag geht rechtlich gegen das Verbreiten der Datei vor.

Alles kein Problem denkt man… War unklug von ihr, dass sie sich von nem Nutzungsverwerter vor den Karren gespannt hat… Aber nein… Das ist abgesprochen mit ihr und im Interview mit der Welt lobt sie das Vorgehen sogar noch:

Ich bin froh, dass mein Verlag und ich uns dazu entschieden haben, nicht gleich eine hohe Strafzahlung zu fordern, sondern zunächst eine nicht kostenpflichtige „Gelbe Karte“ zu vergeben. Das ist ein konstruktiver Vorschlag, wie es in der festgefahrenen Urheberrechtsdebatte weitergehen kann. So könnte auch eine politische Forderung aussehen.
Quelle

Das ist eine interessante Aussage. Denn damit ist die gute Frau auf einer Linie mit Merkel und Leutheusser-Schnarrenberger und generell recht tief im Lager der Befürworter von Urheberrecht. Denn auch von denen werden die viel zu hohen Abmahngebühren kritisiert.

So schnell ist Urheberrecht also dann doch geil…

Herzallerliebst

Ich wollte euch allen mal den Trailer zu einem Film ans Herz legen, der auf der diesjährigen Berlinale vorgestellt wurde. Der Film heißt „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“ und ist die Fortsetzung einer vor 9 Jahren gedrehten Doku („Herrn Wichmann von der CDU“). Regisseur Andres Dresen suchte im Vorgänger jemanden, der sehr aussichtlos für ein Amt kandidierte, um ihn beim Wahlkampf zu beobachten. Inzwischen ist Herr Wichmann in den brandenburgischen Landtag eingezogen und den großen Spaß, den dieser Film einem bietet kommt schon im Trailer durch. Wer etwas über deutsche Politik weg von Kanzleramt und Ministerien erfahren will, dem kann ich den Film nur ans Herz legen.

Und der Zeit-Artikel dazu

Mit offenen Karten #2

So ich habe eine tolle Sendung mit offenen Karten für euch rausgesucht, sowie noch einen schönen Hintergrundartikel dazu, aber zuerst etwas völlig anderes:

Lieber Darkside, es tut mir Leid. Ich war gerade dabei durch die 104(!) Kommentare, die sich seit gestern im Spam-Filter angesammelt hatten, durchzuschauen und wollte prüfen, ob auch einer dabei ist, der nicht von Spambots geschrieben wurde. Leider war dein Kommentar der 104. und ich war schon vollkommen im Löschwahn gefangen, als ich zu spät erkannte, dass mir der Name „Darkside“ irgendwie bekannt vorkommt und du im Gegensatz zu den Spam-Bots tatsächlich Aras Namen erwähnst. Ich hatte aber leider den „terminieren“-Button schon gedrückt. Ich glaube also, du musst deinen Kommentar leider nochmal wiederholen.

Das Seltsame war übrigens, dass neben den üblichen Viagra-Kommentaren bestimmt 80 solcher Kommentare unter den Spam-Kommentaren waren, die dann auch noch einfach nur auf ein leeres Facebook-Profil linkten:

 

Da ich mich oft fcber den ORF e4rgere, we4re mein Vorschlag: Erffcllt der ORF seinen Bildungsauftrag? . Ich sehe nicht viel untisrcheed zu den Privaten und die Nachrichten e4hneln ja fast schon der Kronen Zeitung (hauptsache Katastrophen und Schreckensmeldungen ).

es bleiben viele fagern offen z.B. haben die energiekonzerne ihre zahlungen erst mal eingestellt. sie verdienen sich dumm und de4mlich und tuen nichts ffcr unser land. bei den dicken konzernen, die durch fusionen so eine macht bekommen haben, sollte die regierung erst mal anfangen, anstatt dem kleinen mann wieder in die taschen zu greifen. also fangen sie damit an!!! a. prinz

Das ist ein Lied das Real ist. Aber zum Glfcck gibt es Ausle4nder die Respekt vor den deutschen haben und dann beokmmen sie auch Respekt zurfcck, aber ohne Respekt geht nix zb. Deutschland hat gegen die Tfcrkei gespielt, am ne4chsten Tag kommt auf Spiegeltv so ein kurzer bericht von wegen was die Tfcrken fcber d6zil sagen weil er ja ein Tor gemacht hat, da kommen die doch mit jetzt ist er ein Scheidf Deutscher und zu den Tfcrken kann ich nur sagen was wollt ihr hier So das meine Meinung!

 

Spambots werden auch immer seltsamer.

Naja, aber jetzt zu der tollen Folge mit offenen Karten. Es geht um Island und wie sich das Land seit der Finanzkrise wieder aus der Rezession gebracht hat.

https://youtu.be/OnhYulKH5T4

Wer ein wenig mehr über die Entwicklung des isländischen Bankensektors seit 2008 lesen will, dem sei folgender Artikel ans Herz gelegt.

P.S.: Ara hat ein Statusupdate für euch:

 

:D

Mit offenen Karten

Mit offenen Karten ist eine Fernsehsendung auf arte, die sich im weitesten Sinne mit Geopolitik beschäftigt und ihre Themenkomplexe anhand von Karten darstellt. Ich habe die Serie letztens für mich entdeckt und sie hat nicht nur ein großartiges Wortspiel als Titel, sondern ist auch sonst ziemlich gut. Die einzelnen Folgen sind ca. zehn Minuten lang und bieten eine sehr passable Einführung in die Themen, die sie behandeln. Und da wir auf weeplay gerne unseren Bildungsauftrag erfüllen, wollte ich diese schöne Sendung des deutschen Fernsehens mit euch teilen. Als anschauliches Beispiel hab ich mal die Folge zum Arabischen Frühling für euch verlinkt.
 

https://youtu.be/Lk83Tc9cKrU

 
Und zusätzlich bekommt ihr noch einen tollen Poll, bei dem ihr Sachen anklicken könnt. Total interaktiv und so!

[cardoza_wp_poll id=2]

Das leidige Thema „Beratung im Bundestag“

Auf Facebook geistert wieder ein Link zu Welt Online rum. Ein vermeintlich riesiger Politskandal und ein Beweis, dass unsere Demokratie zerstört wird. Zuerst dachte ich: „Warum verarscht die Welt ihre Leser so?“, dann ist mir eingefallen, dass sie ja zum Springer Verlag gehören. Um dieses Video geht es:

In unter einer Minute werden die Gesetzesänderungen zum Meldewesen verabschiedet. Ich will hier gar nicht groß das Thema aufgreifen ob die Änderungen nun gut oder schlecht sind (Es wird aber mal wieder heißer gekocht als gegessen), die Schlacht wird schon überall anders im Netz geschlagen. Viel mehr möchte ich wirklich nur auf das Formelle eingehen und wie dieses Video entstanden ist.

Gesetze werden meist von der Bundesregierung angeregt, da sie irgendwelche weitere Kompetenzen möchte oder sonst etwas generell Regeln möchte. Seltener kommen Gesetzesentwürfe aus dem Bundesrat oder dem Bundestag. Diese Entwürfe werden dann in den jeweiligen Spezialausschüssen behandelt. Ausschüsse sind kleine Abbildungen des Bundestages. Dort sitzen einige wenige Bundestagsabgeordnete, ungefähr in der Stärke, in der die Fraktion auch im Bundestag sitzt, die sich speziell für das jeweilige Thema, zum Beispiel Umwelt, interessieren. Dort wird dann mehr oder weniger der Gesetzesentwurf überarbeitet und geändert. Anschließend geht das Gesetz dann in den Bundestag zu allen Abgeordneten.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Drops aber meist schon gelutscht. Ist es ein kein hyper sensibles Thema haben die Bundestagsabgeordnete über den Inhalt des Gesetzes nur grob eine Ahnung. Viel mehr verlassen sie sich auf die Experten aus ihrer Fraktion, die im Ausschuss saßen und ihrer Fraktion später eine Empfehlung aussprechen, ob sie dem Gesetzesentwurf zustimmen soll oder nicht. Würde ich also im Bundestag sitzen und mein Spezialgebiet ist die Verteidigungspolitik, so würde ich meiner Fraktion raten sie sollen Entwurf X zustimmen und Entwurf Y ablehnen. Andersherum interessiere ich mich aber für Umwelt nur bedingt und hab weder die Sachkompetenz noch die Zeit mich lange darüber einzulesen, ob lieber Solarpanels des Typs A oder des Typs B mit Subventionen gestärkt werden soll. Dort vertrau ich dann auf die Abgeordnete die sich auf Umweltpolitik spezialisiert haben und mir sagen, dass das und das total toll ist und das andere nicht.

Somit werden die meisten kleineren Gesetze so durch den Bundestag gebracht, dass die Bundestagsabgeordneten einfach nur der Empfehlung ihrer Fraktion folgen. Daran ist weder etwas undemokratisches noch sonst irgendetwas verwerfliches. Es ist geradezu eine Stärke des Parlaments und der Ausschüsse, dass die Bundestagsabgeordnete sich spezialisieren. Somit passiert dann bei der Schlussabstimmung auch bei so kleineren Gesetze nichts mehr. Die Regierungsfraktionen achten irgendwie darauf, dass sie mehr oder weniger eine Mehrheit noch haben und kriegen so ihre Gesetze durch. Die Opposition kann dabei die Gesetze meist lediglich verzögern so wie beim Betreuungsgeld (In dem sie die Beschlussfähigkeit des Bundestages anzweifeln. Bezweifelt nämlich jemand die Beschlussfähigkeit, so müssen mindestens 50% der Mitglieder des Bundestages anwesend sein. Bezweifelt keiner die Beschlussfähigkeit, reicht es wenn eine Person anwesend ist). Da die Opposition aber in der Regel keine Mehrheit im Bundestag hat, kann sie einfache Gesetze nicht stoppen, so lange die Regierungsfraktionen zusammenhalten und da bei so kleinen Gesetze eh nach Fraktionsempfehlung abgestimmt wird, wird die Fraktion meist einstimmig entscheiden.

So bei dem Video ist nun die Besonderheit, dass es der 26. Juni 2012 20:51 Uhr war. Sechs Minuten vorher hat das Spiel Deutschland gegen Italien begonnen gehabt und als treuer Bundestagsabgeordneter ist man dort vor dem Fernseher. Deswegen sitzen dort im Bundestag lediglich zwei Dutzend Abgeordnete und stimmen über dieses Gesetz ab. Ist das ein Skandal? Nein! Denn erstes wissen die da sitzende Abgeordneten nicht mehr über das jeweilige Gesetz über das sie Entscheiden, wie die abwesenden Abgeordneten und zweitens würden auch 500 oder 600 Abgeordnete gemäß ihrer Fraktionsstärke abstimmen. Die Mehrheit ist somit bei vielen Anwesenden nicht anders als bei wenigen und auch der Sachverstand ist nicht höher. Es ist für die Demokratie egal, ob zehn Leute im Sinne ihrer Fraktion abstimmen oder ob es 100 Leute machen. Die wirkliche Arbeit ist bereits lange vorher in den Ausschüssen erfolgt und die Entscheidung was abgestimmt wird, wird ebenfalls bereits vorher in der Fraktion bekanntgegeben.

Daher sollte man sich nicht für dumm verkaufen lassen… Die letzten Lesungen im Bundestag dienen nicht dem fachlichen Austausch und der Überzeugung des politischen Gegners. Es ist ein formeller Akt für den Bürger, damit der Bürger öffentlich sehen kann, wer wie abgestimmt hat. Dabei ist es aber egal ob es 10 oder 100 machen.

Der §7 der StVO

Eigentlich wollte ich ja anfangen herumzuweinen, warum es Leute auf einer komplett von LKWs freien Autobahn nicht schaffen im Sinne des Verkehrsflusses, meiner Nerven und der StVO bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h einfach mal den rechten, statt den mittleren Fahrstreifen zu nutzen, auch wenn Angela Merkel immer wieder versucht die Mitte Deutschlands zu beschwören muss das ja nicht auch auf Autobahnen gelten. Aber weil ich ja lieber erst nochmal nachschlagen wollte, ob das mit dem Rechtsfahrgebot auch so stimmt, wie ich das in Erinnerung hatte (sonst ständ ich ja ziemlich blöd da), habe ich mal nachgeguckt und in Absatz 2 des §2 der StVO steht:

(2) Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.

aber in Absatz 3c des §7 der StVO steht:

Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei oder mehr Fahrstreifen mit Zeichen 340 gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge abweichend von dem Gebot, möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt.

Quelle

Jetzt ist natürlich die Frage, ob alle 5 Kilometer ein LKW das Kriterium hin und wieder erfüllt, aber insgesamt muss ich wohl sagen, dass ich in meinem ganzen bisherigen Autofahrerleben diesen nur mittelschnellen Menschen auf der Mittelspur ein mittelschweres Unrecht getan habe. Es tut mir auch ein bisschen (also so mittelmäßig viel) Leid. Glücklicherweise habe ich direkt danach etwas anderes gefunden, worüber ich mich aufregen konnte:

 
Peer Steinbrück schreibt eine Kolumne auf zeit.de
 

Was mich an dem Artikel (den man fürs bessere Verständnis jetzt lesen sollte, bevor man den Rest des Textes hier liest) aufregt, ist auch viel weniger der Inhalt, als der Autor, der diesen Inhalt verbreitet. Der Inhalt ist gut. Ich würde Steinbrücks Analyse fast Wort für Wort zustimmen, womit ich ein Problem habe ist, dass ER diese Analyse verfasst hat.

Wenn Steinbrück von zu hohen Managergehältern redet, davon wie die Vermögensverteilung in Deutschland auseinander klafft und dass die Banken nicht reguliert sind, dann könnte man fast meinen er hätte nichts damit zu tun gehabt. Aber wer war denn zusammen mit Schröder auch bei der Agenda 2010 dabei? Wer hat denn die Senkung des Spitzensteuersatzes und die Einführung von Hartz IV befürwortet, die dann unter Rot-Grün durchgeführt wurde? Und wer hat denn später als Finanzminister, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als alle sich einig waren, dass eine Regulierung der Banken wohl unumgänglich sei, keine beschlossen oder hingekriegt? Das war er, Peer Steinbrück.

Die Agenda-Befürworter um Schröder haben damals in den Neunzigern den innerparteilichen Kampf gegen den linken Flügel in der SPD um Lafontaine gewonnen und durften an die Regierung. Die Reste dieser Befürworter führen heute die SPD als Troika Gabriel, Steinmeier und Steinbrück an. Das ist traurig genug, aber ein Peer Steinbrück sollte solche Analysen und die politischen Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, jüngeren Leuten in der SPD überlassen, die nicht von der Agenda 2010 belastet sind und die nicht, wie er, noch Jahre zuvor das komplette Gegenteil von dem behauptet und getan haben, was sie nun vorschlagen.

Damit würde er der Sache mehr helfen, als wenn er selbst für irgendein Amt kandidiert. Dann könnte es noch einmal eine SPD mit einem glaubwürdigen sozialdemokratischen Wirtschaftskonzept geben. Mit Gabriel, Steinmeier und Steinbrück als Troika ist da aber nichts zu holen.

 

In other zeit.de-news:

Die Piraten bezeichnen ihre Ortsvereine und Arbeitsgruppen wie militärische Kampfverbände, Crews und Squads – Bezeichnungen aus dem Computerrollenspiel World of Warcraft.

Quelle

Der Lehrer der sich totarbeitet

Mein Lieblingsthema: Irgendwann ist die Zeitpunkt erreicht, bei den auch der Sport- und Musik-Lehrämtler realisiert, dass sein Studienleben auf dem Arbeitsmarkt endet. Fast schon traumatisierend scheint es dann, wenn sie erfahren, dass sie tatsächlich sowas wie Lehrer werden. Momentan wieder in aller Munde ist das Gejammere der Lehrer, bekräftigt durch die aktuellen Allensbach-Studie. Diese soll mal wieder belegen, wie hart die Lehrer in unserem Land gebeutelt sind.

Erst einmal zeigt die Studie wieder, dass es tatsächlich für viele Studenten überraschend ist, dass sie mal Lehrer werden. 20% gaben an, dass sie einen „Praxisschock“ erlitten hätten, als sie nach ihrem Studium in den Beruf einstiegen. Ganze 50% hielten sich für „unzureichend vorbereitet“ auf den späteren Beruf. Hier muss man sich einfach nur mal fragen, was die Leute denn erwarten? Es ist n fucking Studium und selbst wenn die Wissenschaft im Lehramtstudium kürzer kommt, als in den anderen Studiengängen, so bleibt es eine wissenschaftliche Ausbildung. Natürlich führt das universitäre Studium nicht in die Praxis ein, aber das gleich als Schock zu erleben? Vom ersten Tag seines Studiums weiß der Student doch, dass er einmal Lehrer werden wird. Dazu gibt es Praktika und Referendariat. Weder der Mediziner noch der Jurist wird in seinem universitären Studium auf die Praxis vorbereitet. Wir Juristen schreiben im gesamten Studium kein Urteil, keine Anklage und keinen Anwaltsschriftsatz. Auch betreten wir, in der Regel, kein einziges mal einen Gerichtssaal. Das sind alles Sachen die man nach der wissenschaftlichen Ausbildung im Referendariat oder gar erst im späteren Berufsleben lernt.

Dazu muss ich einfach nur den Kopfschütteln, wenn so getan wird, als seien Schulkinder die größten Monster unserer Gesellschaft. Ist der erste Tag in der Klasse wirklich schlimmer als der erste Tag in einem Operationssaal? Oder der erste Tag als Richter an einem Gericht? Weder trägt der Lehrer die gleiche Verantwortung, noch haben Fehler so massive Auswirkungen. Hört man aber den Arzt oder Juristen sich darüber beklagen? Ist es für einen jungen Lehrer wirklich unzumutbar, dass er selbst in seinem Beruf lernt wie er mit Kindern umzugehen hat? Ist es leichter für einen Arzt zu lernen, wie er Patienten hoffnungslose Diagnosen übermitteln muss? Für den Juristen leichter seinen Mandanten in der Haft zu besuchen? Ich denke nicht…

Dass das Gejammer größer ist, als es sein müsste, zeigt die Studie dann auch später. So geben 63% der Lehrer an, dass die Freude den Frust in ihrem Beruf überwiegt. Lediglich 4% sagen, dass der Frust deutlich überwiegt. Dass die Lehrer auch sonst gerne mehr Jammern als nötig wäre, zeigt auch ihre Selbstwahrnehmung. So sagen 49% der Lehrer, dass der Beruf als Lehrer in der Gesellschaft schlecht angesehen ist. Dies deckt sich nicht mit der Realität, denn bei den Berufen vor denen die Bevölkerung Achtung hat, rangiert der Lehrer auf einen, für mich unverständlichen, 4. Rang mit 38%. Davor sind nur Arzt (72%), Krankenschwester (61%) und Polizist (47%). Weit abgeschlagen hinterm Lehrer ist zum Beispiel der Ingenieur (24%) oder der Rechtsanwalt (22%), selbst der Hochschulprofessor (25%) muss sich dem Lehrer geschlagen geben. Das zeigt deutlich, dass die Lehrer sich gerne in ihrer Opferrolle sehen.

Interessant ist auch, dass 23% der Lehrer angeben, dass sie den Beruf ergriffen haben, weil sie gerne in den Ferien chillen (Oder wie die Studie es nennt: In denen man frei über seine Zeit verfügen kann). Gleichzeitig beklagen sich die Lehrer, dass sie ja sooooooooooo viel zu schaffen haben. Dazu hab ich mir mal eine Lehrerbelastungsstudie angeschaut. Dieser begutachtet die Belastung von Realschullehrern in Bayern aus dem Jahr 2003. Die Studie wurde vom bayrischen Realschullehrerverband in Auftrag gegeben, ist somit als lehrerfreundlich anzusehen.

Überschrieben ist das Ganze mit „Von der 40-Stunden-Woche weit entfernt“. Die Studie bedient sich an mehreren Stellen Taschenspielerntricks, um die Arbeitszeit der Lehrer aufzubauschen (So wird regelmäßig zwischen Unterrichtsstunden [45 Minuten] und Zeitstunden [60 Minuten] gewechselt). Ein Beispiel (Seite 9):

Rechnet man diese Arbeitszeit auf Schulwochen um, dann ergibt sich ein Wert von 51,79 Zeitstunden je Schulwoche (38 Schulwochen) oder 43,73 Stunden je Arbeitswoche (45 Arbeitswochen = 225 Arbeitstage).

Auf dem ersten Blick denkt man also: Wenn keine Ferien sind, dann arbeitet ein Lehrer durchschnittlich 51,79 Stunden. Im Durchschnitt (inklusive Ferien) arbeitet er 43,73 Stunden die Woche. Wer aber den Taschenrechner bedient, merkt schnell, dass 51,79 * 38 und 43,73 * 45 relativ genau die gleichen Werte gibt. Somit hat ein Lehrer nur dann 51,79 Stundenwoche, wenn er in den Ferien (Immerhin 7 Wochen im Jahr zusätzlich zu seinem Urlaub) rein gar nichts macht. Alleine die 43,73 Stunden sind wirklich ernsthafte Zahlen, dabei wurde die Vorbereitung und Nachbereitung von den Lehrern selbst geschätzt und daher nicht wirklich akkurat. Mit den Kindern, was laut Lehrern ja die schwerste Arbeit darstellen soll, verbringt ein Lehrer von diesen 43,73 Stunden übrigens nur rund 16 Stunden in der Woche. Den Rest verbringt er mit Vor- und Nachbereitung und Verwaltungstätigkeiten.

Mal ganz davon abgesehen, dass 43,73 Stunden jetzt nicht besonders überdurchschnittlich ist (Die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland betrug 2005 42,4 Stunden Quelle), vergleichen wir das ganze doch einmal mit anderen Akademikern. Der Vergleich mit dem Krankenhausarzt (68 Wochenstunden; Deutsches Ärzteblatt 104, 2417) ist vermutlich unfair, daher vergleichen wir es mit den Ärzten im öffentlichen Dienst (46,3 Stunden ; Deutsches Ärzteblatt 104, 2417). Ebenfalls im Dienste des Staates ist der Richter (50 Stundenwoche Quelle) und wer sich als Jurist in den Anwaltsberuf wagt ist auch weit entfernt von 43 Stunden (56 Stunden Quelle S. 5).

Aber hey! Die alle wissen ja gar nicht wie schwer es als Lehrer ist. Die anderen Berufsgruppen würden eingehen, wenn sie vor der Klasse stehen würden! Anders als der Lehrer… Der mit links die Herzklappe erneuert und vor Gericht jeden Prozess gewinnt. Jetzt dürfen wir die Lehrer aber nicht zu stark loben, immerhin lieben sie ihre Rolle als Opfer der Gesellschaft.