Fast keine Woche vergeht, wo über böse böse Adblocker berichtet wird. Hier weint eine Seite und dort weint eine Seite… Aktuell weint schreibt Jörg Langer, Chefredakteur von Gamers Global, über das Thema. Das Post steht stellvertretend für die vielen völlig schrägen Ansichten und die Selbstgefälligkeit die teilweise von den „Journalisten“ an den Tag gelegt werden.
Steil steigt er ein mit
Leider denken viele der GamersGobal-Benutzer und -Benutzerinnen bei „Werbung“ im besten Fall an gar nichts (sie sehen sie ja nicht, haha!), und im schlechtesten Fall an Dinge, die – im Interesse aller und allerinnen – hier nicht wiedergegeben werden sollen. Werbung, so die Überzeugung vieler User und Userinnen, ist des Teufels/der Teufelin, nein, viel schlimmer, sie ist gefährlich, weil sie Malware auf den Rechner spült, nein, noch viel schlimmer, weil sie Datenbandbreite kostet, nein, noch viel schlimmerererer, weil, weil, weil, … weil sie unkomfortabel ist! Weil sie nervt!
Ich frag mich hier: Was soll das? Abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher bin, ob er tatsächlich aller ernsthaft gendert oder das Gendern ins lächerliche ziehen will (warum gendert er dann aber weiter?), ist sein Ansatz doch völlig falsch. Warum sollte der User sich rechtfertigen müssen, warum er incoming Traffic filtert? Es ist völlig egal warum ich Werbung blocke, denn es ist mein gutes Recht. Hier zeigt sich schon die falsche Denkweise. Der USER schuldet einem Webseitenbetreiber nicht das Betrachten von Werbung.
Vor allem: Selbst wenn es so wäre: Muss ich die Werbung dann auch anklicken? Darf ich in der (Werbe-)Halbzeit beim Fußball nicht mehr auf Klo, weil ich Werbung schauen muss? Kein Wegzappen wenn bei Pro7 Werbung kommt? Beim Spiegel die Anzeige schnell überblättern gemein?
Ja die Monetarisierung von Onlinemedien ist heute ein Problem. Aber wisst ihr was das eigentliche Problem ist? Online-„Journalismus“ ist heutzutage so scheiße, dass kein Mensch dafür tatsächlich Geld ausgeben würde. Und wisst ihr auch wer daran Schuld hat? Der scheiß Werbewahn. Die Krautreporter haben es ganz gut zusammengefasst: Online-Journalismus braucht heute viele Klicks… Alles geht um Klicks und Views. Darum werden Artikel, die stilistisch auf eine Seite gehören auf drei Seiten aufgeteilt. Es werden fürchterlich nervige Klickstrecken gebaut, damit bei jedem Klick neue Werbung aufgerufen werden kann. Qualität ist völlig irrelevant, man muss einfach nur immer der erste sein. Heute gibt es Live-Ticker von ALLEM und ÜBERALL. Selbst einigermaßen seriöse Medien verfallen Online auf Bild-Zeitungs-Niveau. Da werden bei Amokläufe absolut ungesicherte Informationen (die irgendwer getwittert hat) auf nen Live-Ticker von seriösen Medien verbreitet. Hallo? Was ist denn da noch die journalistische Arbeit, wenn man ungefiltert irgendwelche Tweets verbreitet? Bei SPON bestehen teilweise ganze Artikel nur noch aus Tweets. Dazu werden zu Themen nicht 1 oder 2 relevante Artikel geschrieben, nein es kommt jede Stunde ein neuer Artikel ohne neue Informationen. Der Sieg gegen Brasilien hat auf SPON zweistellige Anzahl an Artikeln bescherrt… Hallo? Was ist bitte nach Abpfiff so wichtiges passiert, dass man so viele Artikel braucht? Ach ne… man braucht einfach Klicks.
Aber weiter zur Kolumne. Er schreibt weiter:
Schließlich schaltete man ja den Adblocker aus einem Gefühl der gönnerhaften Freiwilligkeit aus, und erwartete, nun entsprechend sehr dezente Werbung zu sehen, sagen wir, eine 5 Punkt große Schrift in Grau auf weißem Grund. Werbung für sensible, gebildete Menschen mit Stil. Aber bitte nicht dort, wo man sie gleich wahrnehmen könnte, sondern, sagen wir, nach zweiminütigem Runterscrollen unten rechts. Dort, wo sicherlich jeder Werbetreibender Premiumsummen bezahlt, damit graue 5-Punkt-Schrift auf weißem Grund angezeigt wird.
Der erste Satz zeigt wunderbar die egoistische Einstellung. Das Geschäftsmodell besteht doch nicht nur aus Webseitenbetreibern, sondern auch aus Werbenden und den Usern. Der User der sich für Werbung nicht interessiert und sie ignoriert, ist für den Werbenden eh nicht interessant. Das Interessiert Langer aber gar nicht… Er möchte Werbung, die den User nicht interessiert, trotzdem ausliefern und dafür Geld erhalten. Warum eigentlich? DARÜBER müsste man mal nachdenken. Das Geld zahlt nicht der User (der die Texte liest), sondern der Werbende. Was genau leistet die Webseite denn, um ihre Werbung verdient zu haben? Gute Texte an den User? Aber der User zahlt doch gar nicht? Die Leistung die vom Werbenden gezahlt wird, ist nicht für den Content der Seite. Der Werbende zahlt für die Auslieferung der Werbung.
Vielleicht denke ich hier auch zu sehr als Jurist, aber die Argumentation ist schon extrem schräg.Person C verschenkt etwas an Person A, weil C sich von Person B einen Vorteil verspricht, weil Person B sich gleichzeitig einen Vorteil von Person A verspricht. Wenn Person A nun nicht den Vorteil an Person B leistet, beschwert sich C über A. Das ist bei Juristen ein klassischer Motivirrtum und „Pech“…
Genau an diesem Punkt enttarnt sich meist die absurde Argumentation der Webseitenbetreiber. Den Content den sie liefern ist für den User for free. Geld kriegen sie von den Werbenden und zwar für eine komplett andere Leistung. Vielleicht dazu eine Information aus den Print-Medien. Jeder hat sicher mal auf Dealz-Seiten gesehen, dass man Zeitschriften-Abos (dank Prämien) häufig für nahezu 0 Euro bekommt. Das heißt man zahlt 90 Euro und erhält 90 Euro Amazon Gutschein oder ähnliches für ein Abo. Hier geht es lediglich darum, dass die Auflage der Zeitschrift gesteigert wird, damit höhere Werbepreise verlangt werden können. Genauso wie bei dem künstlichen generieren von Klicks (um mehr Werbeaufrufe zu erzeugen), kann man hier darüber streiten, ob das überhaupt im Sinne des Werbenden ist. Möchte ich tatsächlich, dass meine Werbung auf ner Klickstrecke für wenige Sekunden angezeigt wird und auch noch als störend empfunden wird?
Langer scheint das völlig egal zu sein
Ich habe kein Verständnis mehr dafür, dass Website-Parasiten zwar gerne regelmäßig auf GamersGlobal kommen, hier vielleicht sogar registriert sind, aber mir dann erzählen wollen, ich (natürlich nur im übertragenen Sinne) sei Schuld, wenn sie den Adblocker nicht aus- oder nach kurzem Versuch einmal pro Jahr gleich wieder anmachen.
Die Bezeichnung Website-Parasit ist interessant. Wenn das die Definition von Parasit von Langer ist, dann wären für ihn auch Bienen Parasiten, die keine Pollen mitnehmen oder nicht zur gleichen Blumengattung fliegen. Wenn man kostenlos Nektar anbietet und sich dadurch Vorteile eines Dritten (Werbenden) erhofft, dann kann man doch nicht von Parasitismus sprechen, wenn sich der User dazu nicht missbrauchen lässt.
Dann kommt Langer mit seinem BWL-Verständnis
Man muss kein Mathe- oder BWL-Genie sein (Gibt es das eigentlich: BWL-Genies? Ich frage ja nur!), um zu erkennen, dass das in der Kombination keine sonderlich zukunftsbejahende Entwicklung ist.
Er ist kein BWL-Genie, weil ansonsten wäre ihm die Idee gekommen, dass es für seine Webseite vielleicht einfach keine Zukunft gibt? Online-Journalismus ist in der Regel scheiße. Gaming-Webseiten sind von Foren mittlerweile völlig ersetzt worden. Heute braucht man nur noch NeoGAF und das war es auch.
Vielleicht funktioniert sein Konzept einfach nicht mehr, dass er seine Texte verschenkt und darauf hofft, dass er Geld mit der Werbung macht? Die großen Onlinemedien haben umgeschaltet. Bild.de bietet nun z.B. Bild PLUS an, quasi ein Premium-Dienst. Sollte Bild tatsächlich genügend interessant Artikel anbieten, werden die User auch dafür zahlen. Wenn man dagegen nur mittelklassige Artikel und Klickstrecken anbietet, dann darf man sich auch nicht wundern.
Ein Webseitenbetreiber hat doch kein RECHT darauf, dass seine (beschissene) Monetarisierung aufgeht… Es erinnert mich an nen Supermarkt, der mit Lockangeboten die Kunden in seinen Laden holt, weil er hofft, dass die dann auch andere Sachen bei ihm kaufen. Am Ausgang stellt er sich dann hin und schimpft „Du hast ja nur mein Lockangebot gekauft! So geht mein Konzept aber nicht auf!“… Hallo? Dann lass die Scheiße doch sein?
Am Ende seines Artikels kommt er tatsächlich zum wichtigen Punkt:
Nun habe ich mir für GamersGlobal.de, das erkenne ich immer mehr, eine besonders schwere Strategie ausgedacht vor fünf Jahren: Ich wollte auf Qualität setzen, nicht auf billigst abgeschriebene News oder Previews auf Grundlage zweier Screenshots oder Tests nach drei Stunden Spielzeit. Oder auf Babes-Umfragen und ähnliche Klickbringer. Doch die avisierte Zielgruppe älterer, anspruchsvoller, mitmachwilliger Spielefans ist nicht nur besonders schwer zu bedienen (lange, ausführliche Tests, eigene Screenshots) und zu pflegen (großes Diskussionsbedürfnis, Erwartung von Feedback und Auskunft) und besonders kritisch – sie ist auch überdurchschnittlich interneterfahren und setzt dadurch häufiger Anzeigen-tötende Maßnahmen ein, als das auf, sagen wir, die Besucher von Fickenmachtfreude.de zutrifft.
Leider denkt er dann nicht weiter. Was wäre die Konsequenz aus dieser Erkenntnis?
A: Ich schreibe eine Kolumne wie böse alle zu mir sind
B: Ich erkenne, dass mein Konzept nicht aufgeht und lass es sein
Für Langer war anscheinend A die richtige Antwort…
Schmunzeln musste ich übrigens hier:
Denn, und damit zurück zu GamersGlobal.de, dieselbe Zielgruppe, die so schwer zu befriedigen ist, müsste doch eigentlich zumindest in ihrer Mehrheit die kognitiven Fähigkeiten haben, um einen kausalen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und einer einfachen Wahrheit herzustellen: Wenn wir auf Dauer zuwenig Geld erwirtschaften, wird es GamersGlobal.de nicht noch einmal fünf Jahre geben.
Langer kann sich gar nicht vorstellen, dass die Leute die (behauptete) Kausalität erkennen, es ihnen aber scheißegal ist? Er kann sich anscheinend gar nicht vorstellen, dass Leute GamersGlobal konsumieren, es ihnen aber total egal ist ob sie dicht machen müssen oder nicht. Dies zeigt dann auch der folgende Absatz:
„Ist mir doch egal!“, wird sich da mancher denken, und das auch prinzipiell zu Recht: GamersGlobal.de ist keine vom Aussterben bedrohte Tierart, kein Nationalheiligtum und auch sonst nichts, weswegen die Welt eine bessere wäre, solange die Site existiert. Mein Gott, wir schreiben über Spiele! Über ein Luxusgut, über das nachzudenken der größte Teil der Menschheit gar nicht den Luxus hat. Aber… es kommen dann doch erstaunlich viele Menschen, die den Luxus haben, hierher, um ihre Meinung kundzutun, man braucht sich ja nur die Kommentar-Zahl unter unseren Inhalten anzusehen. Und gerade weil ich weiß, wie schwer es ist, diese anspruchsvollen Menschen zufriedenzustellen, frage ich mich, wo diese vielen anderen anspruchsvollen Websites sein sollen, die einem das Gleiche bieten würden, gäbe es die unsrige nicht mehr.
Er glaubt, weil jemand die Seite besucht, hängt er tatsächlich an ihr… Würde er tatsächlich an ihr hängen, dann würde er nen monatliche Beitrag zahlen. Da GamersGlobal aber keine Paywall nutzt, geht man wohl davon aus, dass die eigene Webseite doch nicht so geil ist, dass die Leute monatlich zahlen würden. Das ist übrigens auch kulturell gar kein Problem… Dafür zahlen wir nämlich GEZ, damit wird auch Medien haben, die diesen Werbedruck nicht haben.
Am Ende dann noch eine Krönung höchster Arroganz
Als frohes Schlusswort an jene Geistesgrößen, die mir nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schreiben werden: „Ist doch nicht mein Problem, wenn euer Geschäftsmodell nicht funktioniert!“ – doch, ist es. Denn irgendwann ist GamersGlobal unter Umständen einfach weg, und dann müsst ihr euch in noch viel armseligere, noch ahnungslosere, noch firmengekauftere Umgebungen begeben, um euren Senf abzusondern
Oder es erscheint einfach eine qualitativhochwertige Webseite und die Leute zahlen dafür?
Zum Abschluss auch noch sehr interessant:
Das Problem an unserem Geschäftsmodell ist auch nicht, dass es nicht funktioniert und etwa einseitig auf Anzeigen baut, als gäbe es die Adblocker-Problematik nicht – wir haben längst diversifiziert, Anzeigen machen „nur“ gut 50% unserer Einnahmen aus. Das Problem ist, dass unser Geschäftsmodell darauf baut, dass sich die Nutzer unseres Geschäfts halbwegs fair verhalten. Und das heißt, für die, die die letzten 20 Absätze übersprungen haben: Abo abschließen oder Adblocker abschalten; plus die genannte Einschränkung weiter oben. Wenn zu viele das nicht tun, kommt das Geschäftsmodell ins Wanken.
Das Geschäftsmodell soll angeblich nicht nicht funktionieren, aber wenn es nicht so genutzt wird wie er es sich vorstellt kommt es ins Wanken. Ja klingt nach einem sehr funktionsfähigem Geschäftsmodell…
Eigentlich kann man es ganz kurz fassen: Irgendwann wird es für Webseiten nicht mehr möglich sein sich durch Werbung zu finanzieren (Das war vor 20 Jahren übrigens auch der Fall), der Ausweg sind alternativen Geschäftsmodelle. Vermutlich wird es irgendwann ne „Medienflat“ geben, in der sich die großen Verlagshäuser zusammentun und für ne monatliche Pauschale Zugriff auf ihre Inhalte erlauben. Dann wird man schreien „kleine Seiten wird es dann nicht mehr geben“… Tja das mag es sein… Es gibt auch keine kleinen Printzeitschriften mehr… oder kleine Stromunternehmen… Aber wisst ihr was? Die meisten kleinen Seiten sind scheiße und es würde keinen stören wenn sie verschwinden würden… Mancher kostenfreie (und werbefreie) Blog ist interessanter, als so manche semiprofessionelle Webseite.